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Nebensachen aus GriechenlandKatz-und-Maus-Spiel in Florina

■ Slawo-Makedonier gibt es in Griechenland nicht – außer für den Geheimdienst

Der Professor für Kirchenslawistik, die staatlich bestallte Touristenführerin und der orthodoxe Bischof – sie alle hatten bestritten, daß die Leute, derentwegen ich gekommen war, überhaupt existieren. „Eine slawo-makedonische Minderheit in Griechenland? – Das gibt es nicht. Wir sind alle Griechen – auch wenn hier viele Dialekte gesprochen werden. Wer etwas anderes sagt, lügt“, lautete jedesmal die mit Verve vorgetragene Antwort.

Solche „Lügner“ will ich kennenlernen. Die meisten von ihnen– so sagt das Gerücht, auf das ich mich mangels offizieller Angaben stützen muß – leben in der Umgebung der griechischen Kleinstadt Florina nahe den Grenzen zu Albanien und Makedonien.

„Du kommst ja mit großer Eskorte“, empfängt mich Pavlos an der Bushaltestelle von Florina. Mit einer unauffälligen Kopfbewegung weist er auf die Männer auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die spazieren dort auf und ab, wechseln ein paar Worte, lassen die Kugeln ihrer Komboloi-Ketten durch die Hand laufen, kratzen sich ... Kurz, sie verhalten sich wie Tausende ihrer Geschlechtsgenossen auch. Ehe Pavlos kam, hatte ich ihnen nicht die geringste Aufmerksamkeit gewidmet, und auch jetzt bin ich nicht dazu bereit. „Du wirst schon sehen“, insistiert mein Begleiter, der in der 12.000-EinwohnerInnen-Stadt aufgewachsen ist, „wir kennen uns hier.“

Einen Moment überlege ich, die Exkursion mit dem Architekten Pavlos, der sich selbst einen slawo-makedonischen Griechen nennt, ausfallen zu lassen. Leute mit Verfolgungswahn waren mir noch nie geheuer. Dann überwiegt meine Neugierde, und ich steige in seine Limousine. Schließlich bringt er mich nach Lofi. Die Landstraße ist an diesem Sonntag völlig leer. Außer uns ist nur ein grüner BMW unterwegs. Nach 15 Minuten biegt er nach Lofi ab – genau wie wir.

Das Kafenion in Lofi ist groß und zugig wie eine Bahnhofshalle. Ein halbes Dutzend Spielmaschinen und Billardtische flankieren den Eingang. Den Rest des Raums füllen klotzige Lederimitatsessel. „Alle im Dorf hier sind Slawo-Makedonier und gleichzeitig Griechen, na klar“, sagt Jannis, der 1964 nach Melbourne emigrierte. Als er neun Jahre später zurückkehrte und slawo-makedonisch sprach, fragte ihn ein griechischer Polizist: „Warum gehst du nicht nach Skopje?“ Seither wünscht Jannis sich „australische Verhältnisse“ für Griechenland. Denn da „hat man nach ein paar Jahren alle Rechte, egal, wo man herkommt“. Ilias, der in Deutschland aufwuchs, erfuhr erst mit 16, daß er „auch hier ein Ausländer“ ist. Beim griechischen Militär wurde er als „Bulgare“ gehänselt, und als er vor drei Jahren ein Kulturfest mit slawo-makedonischer Folklore in Lofi organisieren wollte, wurde das verboten.

Mit ihren dunklen Jacketts sind die beiden Männer aus dem grünen BMW entschieden eleganter gekleidet als die Bauern und Arbeiter im Kafenion. Als sie langsam ans andere Ende des großen Raums schlendern, leert sich meine Sitzgruppe schlagartig. Die Verbleibenden rücken enger zusammen. Sie reden jetzt furchtbar leise, und ich habe große Mühe, sie trotz der lärmenden Spielautomaten zu verstehen. „Noch bevor ich zurückkomme, weiß meine Oma, daß ich hier mit dir geredet habe“, sagt Christos. „Irgendwer im Kafenion hat's gesagt, der andere hat's gehört, der dritte hat's erzählt. So funktioniert das bei uns. Die Taktik ist clever: keine Schüsse, kein Gefängnis, kein offener Druck. Nur ein wenig Einschüchterung.“

Die beiden Jackettträger wollten offensichtlich doch nur einen Mokka trinken. Nachdem sie gegangen sind, füllt sich mein Tisch wieder. „Entschuldige“, sagen die Zurückkehrenden einer nach dem anderen zu mir. „Ich arbeite im Staatsdienst.“ Die Umsitzenden nicken verständnisvoll.

Der grüne BMW mit den beiden auffälligen Antennen wartet schon am Dorfausgang. Erwartungsgemäß biegt er hinter uns in die Landstraße ein. Pavlos, der mein anfängliches Mißtrauen offenbar bemerkt hat, wird jetzt übermütig. Er biegt in eine Seitenstraße ein, sagt „paß gut auf“ und macht nach wenigen Metern eine Kehrtwende. Beim Zurückfahren kann ich die verärgerten Gesichter der beiden Jackettträger sehen. Nach wenigen Metern drehen auch sie und heften sich wieder an unsere Stoßstange.

Am Ortseingang von Florina vergrößert sich „meine Eskorte“. Zu dem grünen BMW gesellt sich noch ein blau-weißer Streifenwagen der Polizei. Beide parken neben Pavlos' Limousine vor dem Zeitungskiosk, von dem aus ich meinen Redakteur in Berlin anrufe. Ich teile ihm mit, daß ich verfolgt werde. Wenigstens er soll wissen, was mir hier widerfährt. „Sollen wir dir einen Psychiater runterschicken?“ tönt es fröhlich aus dem Hörer zurück.

Als ich Griechenland eine halbe Stunde später verlasse, fahre ich ohne Eskorte zum Grenzübergang. Zwei Tage später, als ich 250 Kilometer weiter östlich wieder einreise, werde ich wie eine alte Bekannte begrüßt. Eine halbe Stunde lang steht der Expreßzug von Skopje nach Athen am Grenzübergang Gevgelija/Idomeni herum, ohne daß irgend etwas passiert. Dann kommen zwei griechische Beamte zur Paßkontrolle. Der eine liest dem anderen meinen Namen vor und sagt mir auf den Kopf zu: „Sie sind Reporterin.“ Dorothea Hahn

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