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■ Nebenkriegsschauplätze„Wir Zapatisten sagen nein!“

Der Zapatistenführer Marcos zieht aus dem Krieg im Kosovo seine eigenen Konsequenzen und schickt aus Mexiko eine Botschaft „an das Soziale Europa und an die Männer und Frauen, die 'nein' sagen“:

Brüder und Schwestern,

an Euch alle der Gruß der Zapatisten aus Mexiko! Dieser Tage finden auf der ganzen Welt diverse Aktivitäten gegen den Krieg statt, den das Geld im Herzen Europas gesät hat: der Krieg im Kosovo. In diesem Krieg versucht die große Macht, uns alle dazu zu zwingen, Stellung zu beziehen: entweder unterstützen wir die ethnische Reinheit von Miloevic oder den „humanitären“ Krieg der Nato. Das ist der große Zauber des Geldes: Es bietet uns nur die Option, zwischen zwei Kriegen zu wählen, nicht etwa zwischen Frieden und Krieg.

In den Regalen des globalisierten Marktes bietet die Macht der Menschheit nur verschiedene Sorten desselben Krieges: Es gibt ihn in allen Farben, Geschmacksrichtungen, Größen und Formen. Nur im Ergebnis sind sie sich alle gleich: immer Zerstörung, immer Angst und immer der Tod. Und noch innerhalb dieser Marktlogik der Todesverkäufer, will der Neoliberalismus uns einen Betrug andrehen: Der Krieg, der angeblich noch mehr Tote verhindern sollte, hat nichts anderes getan, als sie zu vervielfachen.

Es ist nicht wahr, daß wir an diesem tödlichen Markt teilhaben müssen. Es ist nicht wahr, daß es nur die Wahl zwischen verschiedenen Formen des Krieges gibt. Nichts rechtfertigt den ethnischen Krieg von Miloevic. Nichts rechtfertigt den „humanitären“ Krieg der Nato. Die Falle ist ausgelegt, aber es sind immer weniger in der ganzen Welt bereit, darauf reinzufallen.

Trotz aller Macht des Geldes haben wir immer noch das Recht „nein“ zu sagen. Und das sagen wir heute. Ein weltweites „Nein“ zu dieser Lüge, die heute so tut, als sei sie die Wahrheit im Himmel und auf der Erde des Kosovo. Nein zur Zerstörung des anderen. Nein zum Tod der Intelligenz. Nein zum Zynismus. Nein zur Gleichgültigkeit. Nein zum Zwang der Wahl zwischen mehr oder weniger blutrünstigen, mehr oder weniger perversen, mehr oder weniger mächtigen Verbrechern.

Wenn wir heute nicht „nein“ zum Kosovo sagen, werden wir morgen „ja“ zu all dem Horror sagen, den das Geld schon in allen Teilen der Welt zusammenbraut. Sie ist möglich, eine Welt, in der es die Wahl gibt zwischen Krieg und Frieden, zwischen Erinnerung und Vergessen, zwischen Hoffnung und Verlassenheit, zwischen Grau und Regenbogen. Eine Welt, in der viele Welten Platz haben. Es ist möglich, daß aus einem „Nein“ ein „Ja“ geboren wird, noch nicht perfekt, noch unfertig und unvollständig, ein „Ja“, das der Menschheit die Hoffnung zurückgibt, tagtäglich die komplexe Brücke zwischen Denken und Fühlen zu rekonstruieren. Das sagen wir Zapatisten: NEIN.

Es lebe das Leben. Tod dem Tod. Aus den Bergen des mexikanischen Südostens.

Aufständischer Subcomandante Marcos

Deutsch von Anne Huffschmid

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