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Archiv-Artikel

DAS DING, DAS KOMMT Nebel zum Anfassen

DIE PLASTIK „Home“ von Kavata Mbiti fängt ein, was jetzt 20 KünstlerInnen auf Schleimünde vorhaben

Gut fassen und schnell begreifen kann man den Rahmen: Rund 20 KünstlerInnen treffen bei der Kulturwoche „unmarked_space“ auf der Lotseninsel Schleimünde für ein paar Tage aufeinander. Fernab ihres üblichen Umfelds wollen sie einen Kunstraum erschaffen, so fließend wie die Küstenlinie der Ostsee-Halbinsel. Nächstes Wochenende werden die Ergebnisse präsentiert: Performances, Installationen, Objekttheater oder Konzerte.

Greifbar ist auch der Dampf, der aus dem Kessel steigt, mit dem die Ankündigung der dort stattfindenden „Feldforschung“ zu „Skulpturenspektakeln“ der Berliner Bildhauerin Kavata Mbiti bebildert ist: Aller gewohnten Wahrnehmung und allen physikalischen Modellen zum Trotz springt er auf der Aggregatzustandstreppe einfach eine Stufe zurück: Das Quasi-Gasförmige wird zum Festen. Mbiti erklärt ihre aus Verbundwerkstoff gegossene Plastik so: Sie fasziniere der Verlust an Orientierung und Verstehen, der aus der Abweichung von der Norm resultiert.

Im vorab veröffentlichten Programmheft findet sich unter der Plastik ein Text der Ernst macht mit dem Verlust an Orientierung und Verstehen: Sein Sinn wird immer nebulöser, und das im eigentlichen Sinn: Es ist, als kondensiere die Bedeutung in einer verschwurbelt-verquasten Atmosphäre. Die Frage des Materials sei nicht nur eine zentrale, sondern „eine höchst komplexe obendrauf“. Sein Begriff umfasse eben „die Dingbarkeit der Erscheinung unserer Welt“. Die Skulptur wäre also ein Fassbares, das zugleich eine Brücke schlagen könne zwischen Vorstellung und „dingfester Realität“.

So weit, so irgendwie noch fassbar. Aber dann: „Es liegt an uns, die Grenzen unserer Vorstellungskraft zu öffnen und zu erweitern.“ Ein Verweis auf Aldous Huxleys psychedelischen Meskalin-Selbstversuch? Am Ende steht doch wieder „eines fest: die künftige Gegenwart wird das Ergebnis einer Gegenwart sein, die sich an das richtet, was wir uns als ihre Zukunft vorstellen“?

Orientierung verspricht die Konkretisierung auf der Seite gegenüber: Unter Anweisung sollen temporäre, ortsspezifische und den menschlichen Körper als Material nutzende „Skulpturenspektakel“ erzeugt werden, die Form von Ort und Raum punktuell verändern. Und fotografisch schließlich doch wieder: „festgehalten“ werden?

Aldous Huxley übrigens hielt, nachdem er die Türen der Wahrnehmung weit aufgestoßen hatte, am Ende vor allem dies fest: „Es ist die Aufgabe des Gehirns und des Nervensystems, uns davor zu schützen, von dieser Menge größtenteils unnützen und belanglosen Wissens überwältigt und verwirrt zu werden.“ ROBERT MATTHIES

■ Kulturwoche unmarked_space: Mo, 29. 7., bis So, 4. 8., Lotseninsel / Schleimünde, www.unmarkedspace.de