: Nebel der Dichtkunst
Altmeister Michael Krüger besülzt Schwerlyrik
Das kommt davon, wenn man tagein, tagaus nur triste und hochtrabende, todernste und hölzerne, fantasielose und verbiesterte, lebensfremde und kraftlose, monotone und schläfrige, stumpfsinnige und geisttötende oder einfach nur stinklangweilige Gedichte liest. Dann glaubt man, es gebe nur „wenig Menschen, die sich noch für Gedichte interessieren“. Das erklärte der Schriftsteller und langjährige Leiter des Münchner Hanser Verlags, Michael Krüger, am Mittwoch in der Passauer Neuen Presse. Der 81-Jährige behauptete mit verschleiertem Blick auf den historischen Poesie-Olymp: „Wir sind zwar ein Volk der Dichter und Denker, aber die Dichter haben nichts mehr zu sagen.“ Wir empfehlen dem Altinternationalen der Schwerlyrik doch einfach mal donnerstags auf die Wahrheit-Seite zu gucken und die vernebelte Brille zu putzen, um seine antiquierte Vorstellung einer höheren Dichtkunst hinter sich zu lassen. Denn die Wahrheit-Dichter erkunden keine öden Sphären, sondern haben jede Menge handfeste Dinge zu sagen – und zwar komisch gereimt. Von Knittel bis Sonett wird mit alten und neuen Mitteln die seltsame Gegenwart ins Lachhafte gedreht. Wahrheit-Dichter geben jedenfalls ganz sicher kein intellektuelles Gesülze von sich. Die Wahrheit spricht / im Reimgedicht.
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