: Nazis vor dem Kunstamt
betr.: „Alles eine Frage der Interpretation“, „Sex sells“ zur Ausstellung „When love turns to poison“, taz vom 10. 5. 05
Die Artikel über die Diskussion im Kunstamt Kreuzberg von Wibke Bergemann sind überaus enttäuschend. „Hetzkampagne“ wird in Anführungszeichen geschrieben, alles in einen Topf gerührt.
B.Z. und Bild haben den Lehrer Mathias Seidel wirklich schlimm verfolgt, die Eltern angerufen, deren Kinder er unterrichtet, ihn in die Nähe eines Pädophilen gerückt, Françoise Cactus und Stephane Bauer wurden konkret bedroht, Kunst wurde zerstört, und nicht zuletzt haben zum ersten Mal seitdem ich in Kreuzberg wohne, also seit über 20 Jahren, 50 Neonazis ungestört vor dem Kunstamt mit den „Argumenten“ aus B.Z. und Bild demonstriert, mit Transparenten und Flugblättern – kein Wort darüber in diesem Text.
Stattdessen wird zynisch behauptet, die Empörung der Ausstellungsmacher sei nicht nachzuvollziehen – alle hätten schließlich davon profitiert. So wird den Künstlern und dem Kunstamt Kreuzberg jegliche ernst gemeinte Auseinandersetzung mit ihrer Arbeit abgesprochen: Sex sells, alle wollen nur Aufmerksamkeit, Sex und Kohle. Ja, sogar der Kinderschutzbund kann froh sein, alle bekommen die Aufmerksamkeit, die sie brauchen, und profitieren davon. Das ist arrogant und blöd. Ich fände es nötig, noch mal etwas Differenziertes zum Thema zu formulieren. WOLFGANG MÜLLER, Berlin