: Nazis gegen Nazis
In Nordwestmecklenburg ermitteln die Behörden wegen eines Übergriffs von Kameraden auf Kameraden. Es ist nicht das erste Mal, dass in dem Landstrich Angehörige der rechten Szene übereinander hergefallen sind
Die Rechtsextremen hüllen sich in Schweigen. Keiner der Angreifer, auch keiner der Verletzten äußert sich zu den Hintergründen der Schlägerei, die zwischen zwei rechtsextremen Gruppen ausgebrochen war. Man tappe noch im Dunklen, sagt ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Schwerin, die nun wegen Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt.
Am Wochenende durchsuchten Polizeikräfte die Wohnungen von 17 Verdächtigen in Wismar, Neukloster und Grevesmühlen. Sichergestellt wurden dabei ein Revolver „Magnum“, diverse Baseballschläger und mehrere Schlaghandschuhe. Die Gegenstände sollen nach DNA-Spuren der Überfallopfer untersucht werden. Auch um einzelne Tatvorwürfe genauer zu erheben. „Gezielt hat die eine Gruppe die andere angegriffen“, heißt es aus der Staatsanwaltschaft. Nach den umfangreichen Ermittlungen könne man nun die mutmaßlichen Täter vom Sommer 2008 eingrenzen.
Am 1. August vergangenen Jahres griffen rund zwanzig Rechtsextreme in Züsow bei Neukloster acht Rechte an, unter denen sich auch eine Frau befand. Die Rechtextremen im Alter von 18 bis 44 Jahren warteten dort an einer Bushaltestelle. Plötzlich fuhren mehrere Autos vor. Mit Baseballschlägern schlug eine andere Gruppe von Rechtsextremen im Alter von 14 bis 34 Jahren auf die Wartenden ein. Zwei Männer verletzten sie schwer, zwei weitere leicht.
Nicht zum ersten Mal gingen in der Region Kameraden Kameraden an. In Wismar schlugen in der Silvesternacht 2008/2009 nach Polizeiangaben gleich um die 40 Rechtsextreme aufeinander ein. Ein 22-Jähriger wurde dabei schwer mit einem Messer verletzt. Ein Jahr zuvor, auch an Sylvester, starb dort ein Kamerad durch seine Freunde. Bei der Party eskalierte unter den sechs Freunden ein Streit, erst schlugen und traten die anderen auf ihn ein, später stach der Haupttäter mit einem Messer mehrmals zu. 2006 überfielen drei Rechtsextreme, wieder in Wismar, den damaligen Betreiber des Szeneladens „Werwolfshop“. Sie wollten mit Totschlägern und einer Axt Schulden eintreiben.
Der Ehrenkodex in der Szene, Kameraden nicht bei der Polizei anzuzeigen, erschwert dabei immer wieder die Ermittlungen. Patrick B., der lange in der Szene war, kennt das: „Hier wird geschwiegen.“ Der Aussteiger aus dem Norden sagt: „Nicht Kameradschaft, sondern Misstrauen und Angst bestimmt oft den Umgang in der Szene.“ ANDREAS SPEIT