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Naturschützer kritisieren RenaturierungAbrissbagger im Nationalpark

Stromnetzbetreiber Tennet führt in geschützter Ruhezone des Nationalparks Wattenmeer Renaturierungen durch – mitten in der Brutzeit.

Ist Teil der Natur geworden: abgerissene Plattform vor der Insel Memmert Foto: Eilert Voss

Leer taz | Fast unbeachtet von der Öffentlichkeit fährt der niederländische Stromnetzbetreiber Tennet schweres Gerät im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer auf – und das in der streng geschützten Ruhezone. Damit nicht genug: Die Arbeiten finden während der Brutzeit statt. Die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven selbst hat die Arbeiten genehmigt.

Naturschützer sind entsetzt. Hauptstreitpunkt ist der Abriss einer auf mit Beton gefüllten Eisenstelzen liegenden Plattform vor der ostfriesischen Insel Memmert. Die liegt zwischen Borkum und Juist. Diese Plattform ist jetzt im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen für die Verlegung von Stromkabeln für Offshore-Windanlagen abgerissen worden.

Naturschützer sind sauer. Denn die Arbeiten fanden in der streng geschützten Ruhezone während der Brutzeit statt. In diesen Zeiten ist das Betreten dieser Gebiete untersagt. Zudem bestreiten Naturschützer den Sinn der Maßnahme.

Reiner Schopf, 30 Jahre lang legendärer Vogelwart auf Memmert und seit 2003 im Ruhestand: „Das Ding steht da seit hundert Jahren und ist selbst Teil der Natur.“ Die Plattform werde von Kormoranen genutzt. Sie trockneten hier ihre Federn. Und manchmal brüteten sie sogar auf der Plattform. „Die Arbeiten während der Brutzeit sind einfach ein Skandal“, schimpft Schopf.

Termin von der Nationalparkverwaltung

Bauherr Tennet nimmt es gelassen. „Wir haben einen Maßnahmenkatalog von der Nationalparkverwaltung bekommen und den arbeiten wir ab,“ erläutert Henrike Lau von Tennet. „Der Termin wurde uns von der Nationalparkverwaltung vorgegeben.“

Die Nationalparkverwaltung habe abwägen müssen zwischen der Belästigung der Brutvögel und der Beeinträchtigung der zu erwartenden Zugvögel, sagt deren Sprecherin Imke Zwoch. „Wir haben den Schutz der Zugvögel priorisiert.“ Außerdem habe die Nationalparkverwaltung das Leitziel, von Menschen eingebrachte Bauwerke im Wattenmeer zu beseitigen. Das gelte vor allen Dingen dann, wenn sie die Verkehrssicherheit gefährden.

Vögel brüten zur Zeit auf Memmert selbst. In der Nähe der Plattform befindet sich aber auch ein Rastplatz von Eiderenten. Sie sind jetzt in der Mauser, können also nicht fliegen. „Eine Störung dieser Vögel ist unbegreiflich“, wettert der ehemalige Vogelwart Schopf. Über eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit kann er nur den Kopf schütteln: „Unsinn. Da kann selbst bei Hochwasser kein Boot fahren.“ Zugvögel gibt es laut Schopf, der den Bestand kartiert hat, so gut wie nicht.

Memmert ist eine geschützte Vogelinsel. Sie darf nicht betreten werden. Für Vogelwarte wurde auf der jetzt abgerissenen Betonplattform von rund 100 Quadratmetern Größe Ende der 20er-Jahre eine Holzhütte gebaut. Damals stand die Plattform noch in einem Dünental mitten auf der Insel. Sie war im ersten Weltkrieg errichtet und mit einer Geschützbatterie bestückt worden.

Memmert wandert

Memmert ist eine der wenigen Nordseeinseln, die noch ungeschützt einer natürlichen Dynamik ausgesetzt sind: Sie wandert. Durch Sturmfluten und Erosion steht die Geschützplattform heute nicht mehr auf der Insel sondern quasi neben ihr im Flutsaum. Das Vogelwärterhaus wurde in den 70er-Jahren aus Sicherheitsgründen verlegt.

„Ich glaube, die Nationalparkverwaltung hat keinen Plan, wie sie die Kompensationsmaßnahmen als echte Renaturierung organisieren soll,“ sagt Manfred Knake von der regionalen Naturschutzvereinigung Wattenrat. „Wenn man bedenkt, dass Tennet bereits zehn Kilometer lange Stromkabel im Watt verlegt hat und weitere drei in Arbeit sind, dann ist die Ausgleichsmaßnahme vor Memmert lächerlich.“ Er verweist darauf, dass in der Vergangenheit einige Renaturierungen eher der Entwicklung des Tourismus dienten als dem Schutz der Natur.

So werden von Naturschützern auch andere aktuellen Kompensationen von Tennet kritisiert. Auf Borkum wird ein alter Fahrweg abgerissen und durch einen Bohlenweg ersetzt. Das sei, sagt Knake, eine touristische Maßnahme und habe nichts mit Renaturierung zu tun. Außerdem müssten alte Bauwerke nach Baurecht entsorgt werden und dürften nicht mit Naturschutzgeldern renaturiert werden.

Imke Zwoch verteidigt das Projekt: „Es ist sehr sinnvoll, die Besucher gezielt auf einem Bohlenweg durch den Nationalpark zu leiten, statt sie wild durch die Gegend rennen zu lassen.“

Konflikte über Renaturierungsmaßnahmen sind nicht neu. 2009 wurde der „Alte Fähranleger“ im Süden Spiekeroogs abgerissen. Das war ein überaus beliebtes Ausflugsziel von Touristen. Notwendig war der Abriss nicht. Dem Abriss voraus gegangen war eine manifeste Zerstörung des Watts zwischen Norderney und Hilgenriedersiel an der Küste.

Damals hatten Arbeiter von Tennet durch unsachgemäße Verlegung von Stromkabeln tagelang mit schweren Maschinen den Wattboden zerpflügt. Erst nach massivem öffentlichem Protest schritt die Nationalparkverwaltung ein.

Tennet glich den Schaden mit dem Abriss des Spiekerooger Fähranlegers aus.

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