Nato-Bericht zu Afghanistan: Luftangriff war "angemessen"
Ein Bericht der Nato soll die Bundeswehr entlasten. Ein deutscher Oberst hatte in Afghanistan den Befehl zu einem Luftangriff auf zwei entführte Tanklaster gegeben.
Zu Mittag schickte das Verteidigungsministerium eine Presseerklärung herum. "Aufklärung in Afghanistan in neuer Qualität" hieß sie - eine elektrisierende Überschrift. Dahinter verbarg sich jedoch bloß der Umstand, dass die Tornado-Flieger über Afghanistan neues technisches Gerät bekommen.
Nicht gemeint war offensichtlich das, was Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan soeben der Hauptstadtpresse über das Bombardement zweier Tanklaster bei Kundus vor acht Wochen zu sagen hatte. In der Nacht war der lang ersehnte Untersuchungsbericht der Nato zu dem Vorfall in Berlin angekommen - wie es heißt, als Papier, nicht als digitales, beliebig versendbares Dokument. Doch nichts anderes verriet Deutschlands oberstes Soldat aus dem Isaf-Untersuchungsbericht, als dass er sich darin bestätigt fühlte, dass die von der Bundeswehr georderten Bomben militärisch gerechtfertigt waren.
Er habe "keinen Grund, daran zu zweifeln", sagte Schneiderhan, dass der Kommandeur in Kundus, Oberst Georg Klein, "angesichts der schwierigen Lage in operativer Hinsicht militärisch angemessen gehandelt" habe.
Die Zahl der getöteten und verwundeten Zivilisten sei "nicht mehr ermittelbar" und schwanke zwischen 17 und 142, sagte Schneiderhan. Lokale Führer sprächen von 30 bis 40 toten und verletzten Zivilisten, doch seien dies "nicht unbedingt unbeteiligte Personen" gewesen. "Ich kann es sehr gut nachvollziehen, dass es sich in der Nacht zum 4. September für Oberst Klein so darstellte, dass keine Unbeteiligten vor Ort waren."
Die Nato habe den Bericht "geheim" gestempelt, sagte Schneiderhan, weshalb er nur eine "erste Information und Bewertung aus meiner Sicht" darüber vortragen könne - ohne im Anschluss Fragen zuzulassen. Die Geheimhaltung löste selbst im Nato-Hauptquartier in Brüssel Verwunderung aus. Es sei möglicherweise auch ausreichend, die Stellen zu schwärzen, aus denen die Taliban militärischen Nutzen ziehen könnten, sagte eine Nato-Quelle der taz. Wenige Tage nach dem Vorfall Anfang September hatte das Verteidigungsministerium jegliche Kommunikation über den Vorfall unter Verweis auf den zu erwartenden Bericht eingestellt.
Schneiderhan erläuterte noch einmal die "militärische Gesamtlage", die dazu führte, dass Oberst Klein den US-Flugzeugen den Befehl gab, die zwei Tanklaster zu bombardieren. Diese waren von Taliban entführt worden, hatten sich aber im Bett des Flusses Kundus rund sechs Kilometer vom deutschen Lager entfernt festgefahren. Seit Monaten hatte sich die Situation in dieser Gegend verschärft, das Potenzial feindlicher Kämpfer wurde auf mehrere hundert geschätzt.
Auch habe es "seit Mitte Juni ernst zu nehmende Hinweise" gegeben, dass Anschläge auf das deutsche Lager (Provincial Reconstruction Team, PRT) geplant gewesen seien. Im ganzen Land verstärkt eingesetzte Anschlagmittel seien Lkws und Tanklastwagen geworden. Die Sicherheitslage, die Warnhinweise und die von den US-Flugzeugen beobachtete "Beschaffung der Mittel" für ein Attentat hätten den Kommandeur des PRT Kundus zu der "richtigen" Beurteilung geführt, "dass ein Luftangriff militärisch angemessen war", erklärte Schneiderhan.
Aus einer einzigen Bemerkung des Generalinspekteurs war herauszulesen, dass im Nato-Bericht des kanadischen Generals C. S. Sullivan auch Kritik an der Bundeswehr stehen könnte. Das Dokument enthalte "eine ganze Reihe von Empfehlungen" zum Verfahren in solchen Fällen, sagte Schneiderhan, und "das schließt die Fachausbildung ein".
Der Bericht soll heute bei der Staatsanwaltschaft in Dresden eintreffen. Die überprüft, ob sie ein Ermittlungsverfahren gegen die Bundeswehr einleitet. "Er ist aber nicht das einzige Dokument, das wir angefordert haben", so Staatsanwältin Heike Teitge zur taz.
Der scheidende Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) betonte am Mittwoch bei seiner Amtsübergabe an Karl Theodor zu Guttenberg (CSU), seiner Ansicht nach dürften deutsche Soldaten im Ausland gar nicht mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen konfrontiert werden. Dies gelte "ausdrücklich für Oberst Klein".
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