Nationalelf vor Länderspielen: Die Kinokicker
Das deutsche Nationalteam ist noch mit der Aufarbeitung der goldenen Vergangenheit beschäftigt. Dabei stehen zwei EM-Qualifikationsspiele an.
FRANKFURT/M. taz | Uli Voigt, der mit Vornamen eigentlich Hans-Ulrich heißt, hat im deutschen Fußball kleine, aber feine Spuren hinterlassen. Während seines Referendariats hat er beispielsweise dem Weltmeister Bodo Illgner Französisch beigebracht, später war er mal für die Bundestagsvizepräsidentin Annemarie Renger zuständig, ehe er sich entschied, Journalist zu werden.
Einem größeren Fernsehpublikum brannte sich seine markante Stimme ein, als er für Sat.1, Premiere und RTL Fußballspiele kommentierte, dann sicherte sich 2005 der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seine Dienste – vor der WM 2006 benötigte die Medienabteilung dringend noch jemand, der sich mit Bewegtbildern besser auskennt.
Doch niemals ist der Name des Wahl-Rheinländers so häufig gefallen wie am Mittwoch zur Mittagszeit im fensterlosen Presseraum der Frankfurter Arena. Erst Teammanager Oliver Bierhoff, dann Kapitän Manuel Neuer nahmen den Namen Voigt häufiger – und oft spaßeshalber – in den Mund, weil dem ansprechenden Hobbyfußballer nun unvermutet eine hohe Ehre zuteil wird. Hat er nämlich in weiten Teilen den Film zu verantworten, der noch in diesem Jahr unter dem Titel „Die Mannschaft“ erst in deutschen Kinos, dann noch vor Weihnachten auch im Fernsehen laufen soll.
Der Streifen werde laut Bierhoff am 10. November in Berlin präsentiert. Bundespräsident Joachim Gauck ist bei der Zeremonie dabei, und dann sollen die 90 Minuten auch erstmals in einem großen öffentlichen Kreis gezeigt werden.
Als würdiger Nachfolger des „Sommermärchens“? Damals führte noch Sönke Wortmann die Regie, doch auf einen professionellen Produzenten hat man verzichtet, „wir wollten nicht jemand Fremdes dazuholen“, erklärte Bierhoff und versprach: „Dem Uli ist etwas Gutes gelungen.“
Neuer Kader, neue Verantwortungen
Dass den nächsten Kinohelden auf der ersten offiziellen Pressekonferenz der deutschen Nationalmannschaft vor den anstehenden EM-Qualifikationsspielen in Warschau gegen Polen (Samstag 20.45 Uhr/RTL) und in Gelsenkirchen gegen Irland (Dienstag 20.45 Uhr/RTL) so viel Raum gewidmet wurde, verdeutlicht den Spagat beim Weltmeister. Einerseits ist die Vergangenheit zu schön, um sie in der Mottenkisten zu vergraben, andererseits stellt die Gegenwart neue Herausforderungen. „Wir haben nicht mehr den WM-Kader zusammen“, konstatierte Bierhoff.
Am Mittwoch hat nämlich auch der unter Knieproblemen leidende Mesut Özil das Quartier verlassen, um sich in München einer Kernspintomografie zu unterziehen. Ein Drittel der Südamerika-Reisenden ist absent. Torwart Neuer trägt stolz die Kapitänsbinde („Ich übernehme gerne Verantwortung“), doch davor werden eingedenk der verletzten Kämpen Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira völlig neue Strukturen gebildet.
Nicht nur Bierhoff nennt namentlich Mats Hummels, Toni Kroos und Thomas Müller als diejenigen, die jetzt den Status Führungsspieler tragen. Das Gemisch aus Dortmund-Madrid-München taugt als repräsentativer Querschnitt eines Teams, das bekanntlich auch bei der EM 2016 nach dem Titel trachten soll. Bierhoff: „Sie können und müssen Verantwortung tragen.“ Möglichst schon im Oktober, wo aus den zwei nächsten Pflichtaufgaben bitteschön „zwei Siege“ herausspringen sollen. „Ziel ist es, einen wichtigen Schritt nach Frankreich zu gehen.“
Bierhoffs Miene verfinsterte sich an diesem regnerischen Tag nur einmal. Als die Überbelastung der Stars zur Sprache kam. Hatte nicht Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge kürzlich angeregt, die Zahl der Länderspiele zu reduzieren. Bierhoffs Replik: „Es geht mir auf den Keks, dass oberflächlich und undifferenziert diskutiert wird. Dass die Spieler durch die Nationalmannschaft so hoch belastet sind, kann ich überhaupt nicht akzeptieren.“ Und weiter: „Länderspiele sind für die Entwicklung der Spieler unglaublich wichtig. Ich würde gern mal die Rechnung aufmachen, wie viele Spiele bei den Vereinen dazukommen.“
Natürlich sei der Profifußball Kommerz, sagte Bierhoff. Auch für den DFB bringe jedes Spiel Einnahmen. „Aber wir müssen nicht nur an einen Verein denken, sondern an 26.000 Vereine.“ Bei dieser Causa hatte er sogar noch länger ausgeholt als beim Thema Kinofilm.
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