Nahverkehr: Vera schlägt durch
Der zweite Tunnel für die Hafencity-U-Bahn ist gebohrt. Im Herbst 2012 sollen die ersten Züge Richtung Hauptbahnhof und Mümmelmannsberg rollen.
Die Hochbahn (HHA) ging auf Nummer sicher. Als die Feierstunde zum Durchstich des zweiten Tunnels für die Hafencity-U-Bahn begann, lag die Tunnelbohrmaschine schon seit Tagen sicher im Zielschacht am Jungfernstieg. Was noch fehlte, war das Türchen am Ende der Maschine zu öffnen. Das geschah mit gewaltigen Glockenschlägen zu blauem Licht und dramatischer Musik - dann kletterten die Tunnelarbeiter- und Ingenieure hinter dem Schneidrad hervor, ein jeder mit der Fahne seines Lieblingsfußballvereins in der Hand.
Der Durchschlag der zweiten und letzten Röhre kommt keinen Tag zu früh, schließlich soll die U-Bahn das Überseequartier in der Hafencity erschließen und das ist kräftig im Werden. Dort, an der Ostseite des Magdeburger Hafens stehen die meisten Gebäude schon. Wenn im Herbst 2012 der erste U-Bahnzug rollt, dürften viele der Büro und Geschäfte bereits vermietet sein. Auf der Ostseite des Magdeburger Hafens soll am 13. Dezember mit dem Bau der Hafencity-Universität begonnen werden. Dort ist ebenfalls ein U-Bahnhof ausgehoben. Der Tunnel dorthin mit einer Länge von 1,2 Kilometern ist im Rohbau fertig. Er war nicht gebohrt sondern offen als Schacht gegraben worden.
Das jetzt fertiggestellte Röhrenpaar ist 2,8 Kilometer lang und zieht sich vom Jungfernstieg aus in einem Bogen unter der Innenstadt hindurch. Mit elf Monaten Bauzeit waren die Arbeiter und Ingenieure schneller als geplant. Dafür hatten sie bei der ersten Röhre mehr Zeit gebraucht. Hochbahn-Chef Günter Elste erklärte die kurze Bohrzeit mit der Erfahrung aus der ersten Bohrung. "Man wusste was einem unter Tage begegnen könnte", sagte er.
Die Linie in die Hafencity wird U 4 heißen und von der Hafencity-Universität über Jungfernstieg und Hauptbahnhof nach Billstedt führen. Ab Jungfernstieg verdichtet sie den Takt der U 2.
Fahrzeit: Hafencity-Universität bis Überseequartier eine Minute, Überseequartier bis Jungfernstieg drei Minuten.
Fahrgäste: Die Hochbahn rechnet mit 35.000 Fahrgästen täglich. 20.000 pro Stunde und Richtung kann die Bahn verkraften.
Der Tunnel ist vier Kilometer lang, 2,8 davon wurden gebohrt. Der gebohrte Teil ist mit 3.700 individuell geformten Betonringen ausstaffiert.
Die Maschine hatte sich nicht nur durch Mergel und fetten Glimmerton zu wühlen, sondern sah sich ab und an auch mit eiszeitlichen Findlingen konfrontiert. Brocken bis zu einem halben Meter Durchmesser kriegte das Schneidrad klein. Größere Brummer mussten in Handarbeit soweit zertrümmert werden, dass die Maschine sie vollends klein mahlen konnte.
Die Maschine hat hinter sich bereits die Betonringe eingebaut, die den Tunnel auskleiden und stabilisieren. Jetzt fehlen noch der Innenausbau mit Gleisen, die Verbindung zum bestehenden Netz und die beiden Stationen in der Hafencity.
Die U-Bahn wurde zuletzt mit einem Gesamtpreis von knapp 324 Millionen Euro veranschlagt. 2007 waren noch 255 Millionen Euro kalkuliert gewesen. Damals schon lag das Nutzen-Kosten-Verhältnis bei 0,58. Das Projekt kostet also fast doppelt soviel als es nützt. Die kürzlich gestoppte Stadtbahn dagegen konnte mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,18 aufwarten. Die ersten 7,7 Kilometer sollten inklusive Betriebshof und Fahrzeugbeschaffung etwa soviel kosten wie die Hafencity-U-Bahn: 338 Millionen Euro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands