Nahost in Berlin: "Gewalt will keiner"
Palästinenser verurteilen Gewalt auf der Demo vom Sonntag. Kritik an Polizei. Jüdische Gemeinde fürchtet Übergriffe.
Man werde „alles dafür tun, solche Vorfälle künftig zu vermeiden“, sagt Ali Maarouf von der Palästinensischen Gemeinde Berlin. Am Sonntag war es am Ende einer Demonstration gegen die Gewalt im Gaza-Streifen zu Böller-, Stein- und Flaschenwürfen auf Polizisten gekommen. Die Demo vom Neuköllner Hermannplatz zum Kottbusser Tor in Kreuzberg war von verschiedenen palästinensischen Organisationen in Berlin und der Linkspartei veranstaltet worden. Laut Polizei gab es vier verletzte PolizistInnen und acht Festnahmen. Alle Festgenommenen sind wieder frei.
Viele Jugendliche palästinensischer Herkunft verfolgten die Ereignisse im Nahen Osten im Fernsehen und „werden unruhig“, sagt der Kinderarzt Ali Maarouf, Sprecher des Palästinensischen Bundes in Deutschland und deutscher Chairman der palästinensischen Fatah-Organisation. „Aber das ist kein Grund, hier in Deutschland Gewalt auszuüben.“ Die Ausschreitungen auf der Demo „tun uns sehr leid, und sie tun uns auch weh“, so Maarouf.
Es habe bei dem Protestmarsch allerdings nicht genügend Ordner gegeben, um die Ausschreitungen zu verhindern, sagt der Vorsitzende der Palästinensischen Gemeinde Berlin, Ahmad Muhaisen. Zu der vom Veranstalter mit 50 TeilnehmerInnen angemeldeten Demonstration waren laut Polizeiangaben bis zu 800, nach Muhaisens Einschätzung jedoch fast 3.000 Personen gekommen.
Walid Chahrour von der Arbeitsgruppe BDS (Boykott, Desinvestition und Sanktionen), die zum Boykott von Produkten aus Israel und den besetzten Gebieten aufruft und die Demo mitveranstaltet hat, übt auch Kritik am Vorgehen der Polizei. Die habe „gar nicht erst versucht, mit den Leuten zu reden“, so Chahrour, sondern sei gleich „mit brutalen Methoden gegen die Leute vorgegangen“, die teils noch Kinder gewesen seien. Dabei sei der Protestmarsch mit TeilnehmerInnen „aus allen möglichen politischen Zusammenhängen“ überwiegend friedlich verlaufen, so Chahrour. Auch er beteuert: „Keiner hier hat ein Interesse an Gewalt.“
Dass sich Übergriffe auf jüdische oder israelische Berliner vor dem Hintergrund der Gewalt im Nahen Osten künftig mehren könnten, fürchtet Ilan Kiesling, Pressesprecher der Jüdischen Gemeinde Berlin, dennoch. Frühere Konflikte dort hätten gezeigt, „dass die Stimmung unter Jugendlichen arabischer Herkunft hier dann aufgeheizter ist“, so Kiesling.
Er verweist darauf, dass die fast zeitgleich zur Palästinenser-Demo veranstaltete Kundgebung von Berliner Juden und Israelis am Joachimstaler Platz am Ku’damm, an der sich auch die Jüdische Gemeinde Berlin beteiligt hat, friedlich geblieben sei. „Wir fordern keine Gewalt gegen Palästinenser“, sagt Kiesling. Und: „Der größte Feind der Palästinenser ist die Hamas.“ Das sähen viele der hier lebenden Palästinenser auch so, sagt Kiesling. Er setze darauf, dass „Israelis und Palästinenser, Juden und Moslems“ in Berlin friedlicher zusammenleben könnten, „als das im Nahen Osten zurzeit der Fall ist“. Dass Innensenator Frank Henkel (CDU) am Montagabend Vertreter jüdischer, muslimischer und christlicher Organisationen zu einem Gespräch geladen hat (siehe Kasten links), ist Zufall. Anlass zu der informellen Runde seien die „erschütternden Gewaltvorfälle“ wie der Tod des 20 Jahre alten Jonny K., der im Oktober auf dem Alexanderplatz zu Tode geprügelt worden war, heißt es aus der Innenverwaltung: Das Thema Nahost stehe nicht auf der Tagesordnung. Es werde aber wohl zwangsläufig doch zur Sprache kommen, vermutet Ilan Kiesling.
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