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Nahost-Dialog im Haus der Kulturen der WeltReligion im Pass

Mit Catherine Davids Veranstaltungsreihe "Di/Visions" setzt das Haus der Kulturen der Welt auf die Rede über "Kultur und Politik im Nahen Osten".

Hier ist es still: Haus der Kulturen der Welt. Bild: dpa

Als Leiterin der documenta war Catherine David vor zehn Jahren vor allem in Bildwelten unterwegs. Heute beschäftigt sie sich mit dem Nahen Osten und setzt dabei voll auf Diskurs. So wird die von ihr kuratierte Veranstaltungsreihe "Di/Visions" vom gesprochenen Wort dominiert werden; es handelt sich dabei um eine "multimediale und interdisziplinäre Dokumentations- und Informationsplattform", die nun im Berliner Haus der Kulturen der Welt stattfindet.

Noch bis zum 13. Januar werden dort abgefilmte Interviews, Dokumentarfilme und Gesprächsrunden präsentiert, hoffentlich vor einem größeren Publikum als am Eröffnungswochenende. "Die Gewalt im Nahen Osten bildet eine Wahrnehmungsfolie, eine ständige Geräuschkulisse", sagt David und beklagt, dass die arabischen Intellektuellen im ohrenbetäubenden Bombenhagel kaum mehr zu hören sind. Nicht einmal im Fernsehen, so hieß es bereits auf der Pressekonferenz, bekämen ihre Stimmen einen Ort.

"Ästhetik" soll nach David generell "nicht das Problem" von Di/Visions sein. Beweist nicht die Geschichte des Orientalismus, dass auch dem Auge nicht zu trauen ist? Unklar bleibt aber, in welchem Verhältnis dieses Bilderverbot zu Videogesprächen und Dokumentarfilmen passen soll. Wird hier der reine Diskurs transportiert, während die Konstruktion imaginärer Bildwelten allein dem Spielfilm vorbehalten ist? Überhaupt erscheint die vorgebliche Trennung von Kunst und Dokumentation kaum ausgereift.

Dass Di/Visions aber schließlich nicht aufgrund, sondern trotz des konzeptuellen Rahmens zu hochinteressanten Resultaten führt, ist vor allem den Rednern zu verdanken, die teils physisch anwesend, teils über Videoprojektionen vertreten sind. 13 etwa viertelstündige Gespräche hat Catherine David geführt. Sie laufen über die Dauer der Veranstaltung in einer Endlosschleife.

Einige der Protagonisten wie Tamim al-Barghouti, Amnon Raz-Krakotzkin, Sherif Younis und Samah Selim sind oder waren Teil eines auf fünf Jahre angelegten Nahost-Forschungsprogramms am Berliner Wissenschaftskolleg. Andere sind teils prominente Filme- oder Theatermacher, Politologen und Literaturwissenschaftler und lehren an Universitäten des Nahen Ostens oder in Amerika. Und schon die ersten Tage zeigten, auf welchen Fluchtpunkt die Diskussionen und Monologe immer wieder zulaufen: die kolonialen Wurzeln der Gewalt im Nahen Osten.

In diesem Sinne berichtet der im amerikanischen Exil lebende Dichter und Filmemacher Sinan Antoon im Video-Interview über seine Heimat. Die USA, sagt er, haben ihr eigenes, historisch gewachsenes Rassedenken auf den Irak übertragen, um die komplexen Kräfte dort besser kontrollieren zu können. Während einst sogar innerhalb der Baath-Partei ein Miteinander von Sunniten, Schiiten, Kurden und Christen möglich gewesen war, steht die Zugehörigkeit zu dieser oder jener Religion oder Ethnie unter der nun installierten Übergangsregierung erstmals sogar im Pass. So erzählt Antoon von einem befreundeten Buchhändler aus Bagdad, der sich, obwohl gestandener Marxist, nun in einer christlichen Partei engagieren muss, um eine politische Stimme zu haben. Divisions - das bedeutet für den Irak die erst gerade institutionalisierte ethnische und religiöse Teilung durch die USA.

Der palästinensische Sozialpsychologe Nadim Rouhana sieht auch in Israel ein Kolonialreich, wobei die Kolonie - historisch beispiellos - für die Juden zum Mutterland selbst geworden sei. Wenn ein derart alternativ- und auswegloses Siedlungsprojekt sich nun mit politischem Exklusivitätsanspruch paare, sei die Gewalt, die es von 1948 an täglich produziere, unausweichlich. Rouhana sieht eine mögliche Lösung des Konflikts in einem Zwei-Staaten-Modell, in dem Juden und Palästinenser die gleichen Rechte besitzen.

Der Teufel steckt aber manchmal im Detail: Obwohl nämlich Meron Benvenisti, ehemals stellvertretender Bürgermeister von Jerusalem, die politische Agenda Rouhanas teilt, ärgerte er sich beim Round-Table-Gespräch anlässlich der Eröffnung sehr über diese aus seiner Sicht allzu parteiische Darstellung der israelischen Geschichte. Benvenisti spricht lieber über Heimatliebe und von Städten und Landschaften, die Juden und Palästinensern gleichermaßen am Herz liegen.

Viel wichtiger als Nationalismen seien solche emotionalen Notwendigkeiten, die die politische Lösung wie von selbst nach sich ziehen würden. Wo Benvenisti aber davon schwärmte, dass gerade die arabischen Kartografen die Namen der alten Orte des Heiligen Landes für die jüdischen Neuankömmlinge bewahrt hätten, erkannten manche Zuhörer ein kolonialistisches Argumentationsmuster.

Apropos kolonialistisch: Im Rahmen von Di/Visions war viel davon die Rede, wie säkular, aufgeklärt und modern, wie anschlussfähig die arabische Welt also an den Westen gewesen sein soll, bevor erst in jüngerer Zeit tiefe Gräben gezogen wurden. So feiert Catherine David den iranischen Feminismus und Beirut als eine der weltweit emanzipiertesten Metropolen der Sechziger- und Siebzigerjahre. Wo aber Demokratie und Emanzipation nach westlichem Modell als steter Traum des besseren Orients durchscheint - was ist das anderes als ideologische Kolonisierung?

Vielleicht hätte man zumindest eine Leinwand auch für das Gespräch mit einem islamischen Fundamentalisten reservieren können. Als Störgeräusch in diesem zuweilen allzu harmonisch intonierten Konzert anglo- und frankofoner Intellektueller.

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