Nahles zur Finanzkrise: "Wir brauchen ein Konjunkturpaket"

Andrea Nahles, Vizevorsitzende der SPD, sieht ihre Partei gegen die Finanzkrise gewappnet - jedenfalls besser als andere. Es gehe nun darum, privates Geld zu mobilisieren.

"Wir ballern jetzt nicht jede Woche ein paar Milliarden heraus": Andrea Nahles auf dem SPD-Sonderparteitag. Bild: ap

taz: Eine Rezession steht vor der Tür. Ist die SPD gewappnet?

Andrea Nahles: Besser als andere. Wir brauchen jetzt einen Schutzschirm nicht nur für Banken, sondern auch für Arbeitsplätze. Wir müssen Handwerkern, Unternehmern und Konsumenten signalisieren, dass es falsch ist, jetzt auf die Bremse zu treten. In der Krise zu sparen wäre ganz falsch. Wir brauchen ein Wachstums- und Konjunkturpaket.

Das heißt konkret?

Schnellschüsse helfen nichts.Wir brauchen noch ein, zwei Wochen, um genau zu sagen, was am besten ist. Aber klar ist: Wir müssen privates Geld für Investitionen nutzen. In Deutschland gibt es eine Sparquote von 11 Prozent, in den USA liegt die bei minus 0,5. Wenn jemand gegen den Trend investieren kann, dann die Deutschen.

Sind Sie sicher, dass Steinmeier ein Konjunkturprogramm will?

Wir sind uns in der Grundfrage einig. Wenn es nach mir geht, werden wir bald klare Signale für Investitionen setzen.

Über das laufende 6-Milliarden-Programm der großen Koalition hinaus, das etwa die Förderung der Gebäudesanierung beinhaltet?

Sie werden mich nicht dazu bringen, Einzelprogramme und Summen zu nennen. Wir ballern jetzt nicht jede Woche ein paar Milliarden heraus. Das wäre nicht seriös. Sinn macht, Handwerkern zu Aufträgen zu verhelfen. Sinn macht, privates Geld zu mobilisieren. Und gezielt Konsumenten zu animieren, Geld auszugeben und nicht es unters Kopfkissen zu legen. Solche Impulse müssen im laufenden Haushalt her. Die Kindergelderhöhung ist da schon der richtige Weg. Aber wir brauchen noch eine Schippe oben drauf.

Das Bankenrettungsprogramm der Koalition ist viel gelobt worden. Hat das Parlament nicht auf zu viele Rechte verzichtet?

Nein. Es gilt das Grundprinzip: Geld gibt es nur gegen Einfluss des Staates. Das ist entscheidend. Manche Banken hatten ja die aberwitzige Vorstellung, dass sie Bürgschaften und Kredite umsonst bekommen. Das ist verhindert worden.

Das parlamentarische Gremium, das über die Stützung von Banken informiert wird, ist zur Geheimhaltung verpflichtet. Warum zählt das Recht der Banken, anonym zu bleiben, mehr als Recht der Steuerzahler, zu erfahren, was mit ihrem Geld passiert?

Geheimhaltung gibt es auch bei anderen parlamentarischen Ausschüssen. Es geht bei Banken um sensible Informationen, die die Krise noch verschärfen könnten. Ich bin wirklich niemand, der die Banken mit Glacehandschuhen anfasst. Aber wir müssen Überreaktionen vermeiden.

Die Anstalt kann in Milliardenhöhe Schrottpapiere von Banken kaufen - ohne Mitsprache des Parlaments. Ist das kein Problem?

Die Geheimhaltung ist vertretbar. Denn wenn öffentlich wird, dass die Bank X Schrottpapiere hat und versucht die loszuwerden, dann besteht die Gefahr, dass Kunden ihr Geld abheben und die Krise so katalysieren. Genau das wollen wir verhindern.

Rot-Grün hat Hedgefonds zugelassen, Private-Equity-Gesellschaften steuerlich gutgestellt und Verbriefung von Krediten zu Wertpapieren erlaubt. Waren das Fehler?

Wissen Sie, Deutschland ist keine Insel. Deutschland hat die striktesten Regeln für die Finanzindustrie weltweit. Das hat Rot-Grün durchgesetzt. Würde es überall so viele Regeln für die Finanzindustrie geben wie hierzulande, dann wäre uns diese globale Krise vielleicht erspart geblieben.

Also kein Grund zur Selbstkritik?

Die SPD hat dem Markt soziale Sicherungen und Mitbestimmung abgetrotzt. Wir haben immer gesagt: So viel Staat wie nötig, so viel Markt wie möglich. Die Finanzkrise zeigt, dass nur Markt scheitert. Die SPD wollte schärfere Haftungsregeln, damit sind wir im Bundesrat gescheitert. Wir lassen uns nicht an den Pranger stellen. Schon gar nicht von Union und FDP, die jahrelang jede Regulierung blockiert haben.

Die SPD hat sich auf ihrem Sonderparteitag ungewohnt einig präsentiert. Hält das?

Ja, es muss. Und es wird.

Warum?

Franz Müntefering hat ein Angebot gemacht. Er will Diskussionen in der Partei. Deswegen hatten wir früher Konflikte mit ihm. Jetzt sagt er ja zu Diskussionen - nur müssen wir am Ende geschlossen auftreten. Das ist positiv. Natürlich wird es beim Wahlprogramm - etwa bei der Rente - Debatten geben. Aber wir können uns einigen.

Münteferings Ergebnis ist deutlich schlechter als das von Steinmeier.

Ach, 85 Prozent sind ein gutes Ergebnis für einen SPD-Vorsitzenden. Gerade wenn man bedenkt, was in den letzten Monaten passiert ist. Es gab eben Delegierte, die zeigen wollten, dass sie Kurt Beck nicht vergessen haben. 85 Prozent sind ein ehrliches Ergebnis.

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