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Nagelprobe für die Nationale Partei

■ Bei den ersten demokratischen Kommunalwahlen rund um Kapstadt muß Expremier de Klerk um seine Macht fürchten

Johannesburg (taz) – Zwei Wochen nach ihrer Ankündigung, die Regierung zu verlassen, steht der Nationalen Partei in Südafrika heute ihre erste Nagelprobe bevor. In ihrer Hochburg, in der Provinz Western Cape rund um Kapstadt, finden heute die ersten demokratischen Kommunalwahlen statt. In den meisten Teilen Südafrikas und auch in den ländlichen Gebieten der Provinz wurden diese Wahlen bereits Anfang November vergangenen Jahres abgehalten, lediglich in KwaZulu/Natal und am Kap der Guten Hoffnung mußten sie verschoben werden, weil sich die Parteien nicht auf einen Zuschnitt der Wahlkreise einigen konnten.

Es wird erwartet, daß die Nationale Partei (NP) unter dem letzten weißen Präsidenten des Landes, Frederik Willem de Klerk, die Wahlen gewinnen wird – allerdings nicht so haushoch, wie man es in der Parteizentrale in Pretoria hofft. Eine gestern veröffentlichte Meinungsumfrage prognostiziert für die NP 45 Prozent der Stimmen, dicht gefolgt vom Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) mit 41 Prozent. Sollten die Meinungsforscher recht behalten, wäre das ein großer Rückschlag für die NP.

Deren Entscheidung, die „Regierung der Nationalen Einheit“ jüngst zu verlassen, war nicht zuletzt von wahltaktischen Überlegungen bestimmt. Die Provinz rund um Kapstadt ist die einzige in Südafrika, in der sie bislang eine klare Mehrheit hat. Bei den ersten demokratischen Wahlen der Provinzparlamente, die im April 1994 gleichzeitig mit den nationalen Wahlen stattfanden, kam die NP auf 53 Prozent, der ANC lediglich auf 33.

Völlig unberechenbar in ihrem Wahlverhalten ist die Bevölkerungsgruppe am Kap, die dort demographisch in der Mehrheit ist: die „Coloureds“, Nachfahren von Sklaven aus aller Welt. Sie machen 60 Prozent der Wahlberechtigten aus. Ohne deren Unterstützung droht die NP in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Obwohl auch die Mischlinge während der Apartheidzeit als Nichtweiße diskriminiert wurden, räumte ihnen die weiße Regierung mehr Rechte ein als den Schwarzen. Die meisten Mischlinge fühlen sich den Weißen sozial und kulturell näher; sie sprechen auch überwiegend deren Sprache, Afrikaans. Rassismus gegenüber schwarzen Südafrikanern ist unter den Mischlingen weit verbreitet. So wurde selbst Mandela während des jetzigen Wahlkampfes in Mischling-Townships mehrmals als „Kaffer“ beschimpft.

Dieser Unterstützung kann sich die Partei jetzt allerdings nicht mehr so sicher sein. In ländlichen Teilen der Provinz liefen die Mischlinge im November scharenweise zum ANC über, der jetzt viele traditionell burische Städte regiert. Der ANC hat mittlerweile Mischlinge in die Parteispitze und in die Regierung geholt. Darunter sind etwa der frühere Kirchenführer Allan Boesak und der heutige Finanzminister Trevor Manuel. „Die Leute durchschauen jetzt die Lügen von 1994, als ihnen gesagt wurde, der ANC werde ihnen ihre Häuser und Arbeitsplätze wegnehmen“, glaubt Chris Nissen, der ANC-Vorsitzende der Provinz. Kordula Doerfler

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