■ Verbotene Theaterwerbung: Nackte Tatsachen
Zwei Plakate, auf denen mit einer nackten Frau und einem nackten Mann für das Erfolgsstück „Was heißt hier Liebe?“ geworben wird, dürfen nicht in den Fluren und Klassenzimmern ausgehängt werden. Der Chef des Landeschulamtes hatte Bedenken, Frau Senatorin Ingrid Stahmer (SPD) ebenfalls. Wie schön, möchte man dem Jugendtheater Rote Grütze zurufen. Irgendwie scheint es sie noch zu geben, die selbsternannten Moralhüter. Die offizielle Begründung kommt einem pädagogischen Kniefall gleich: Muslimische Schüler könnten sich in ihren Gefühlen verletzt fühlen. Das erinnert fatal an Diskussionen, wie wir sie aus dem fernen Bayern kennen. Auch wenn der Schulverwaltung wohl die besten Absichten unterstellt werden dürfen, so ist ihr Handeln doch verlogen und die Begründung zudem gefährlich. Muslimische Schülerinnen und Schüler müssen für eine Zensur herhalten, mit der sich die Schulverwaltung einem Konflikt entzieht, der noch gar nicht stattgefunden hat. Warum, so fragt man sich, nicht ein Experiment wagen? Gerade jenes inkriminierte Plakat böte die Chance, über Sexualität in den verschiedenen Kulturkreisen zu diskutieren. Das könnte spannende, möglicherweise auch unerquickliche Ergebnisse zutage fördern. Die moderne Schule aber kommt an einer Auseinandersetzung über kulturelle Werte, Identitäten, über Toleranz und deren Grenzen nicht vorbei. In Frankreich wurde vor geraumer Zeit heftigst über das Tragen des Kopftuchs für muslimische Mädchen gestritten. Es wäre falsch, den Islam zum Ersatzkatholizismus zu stilisieren. Man könnte den Konflikt ja auch anders sehen: Vielleicht war das Verbot am Ende nur das Ergebnis einer ästhetischen Beurteilung von Amtsträgern. Das Plakat zeigt nun einmal zwei normale Menschen. Severin Weiland
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