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Nachtzusammenfassung Katastrophe in JapanFukushima droht zu versalzen

Experte warnt vor neuen Risiken beim Katastrophen-Kraftwerk: Da die havarierten Rektoren mit Meerwasser gekühlt werden, könnte Salz die Wasserkühlung blockieren.

Zur Kühlung der gefährlichen Brennstäbe haben Einsatzkräfte Meerwasser in die Reaktoren gekippt. Nun entstehen Salzberge. Bild: apn

SCHANGHAI taz | Wer noch vor einigen Tagen dachte, die Japaner würden die Atomkatastrophe von Fukushima ganz locker nehmen, der sieht sich nun getäuscht. Zwar herrscht in der 35-Millionen-Metropole Tokio keine Massenpanik. Doch die Angst vor einer radioaktiven Verstrahlung wird auch bei den Hauptstadtbewohnern immer größer.

Nachdem Messungen erhöhte radioaktive Werte im Tokioter Leitungswasser ergeben hatten, rief die Stadtverwaltung dazu auf, Kleinkindern kein Leitungswasser mehr zu geben. Die Strahlung habe den für Säuglinge empfohlenen Grenzwert für radioaktives Jod 131 um mehr als das Doppelte übertroffen, warnten die Behörden. Für Erwachsene seien diese Werte aber unbedenklich, betonten sie. Wie der japanische Fernsehsender NHK berichtet, gab es nach der Warnung dennoch sofort Panikkäufe. In den Geschäften in und um Tokio gibt es nun kaum noch in Flaschen abgefülltes Wasser mehr.

Überhaupt werden die Japaner auch im weiteren Umkreis des Unglückskraftwerks Fukushima I immer nervöser. Der Nachrichtenagentur Kyodo zufolge empfahl Kabinettssekretär Yukio Edano erstmals den Bewohnern in Windrichtung der Anlage auch außerhalb eines Radius' von 30 Kilometern, sich nicht mehr im Freien aufzuhalten und die Fenster geschlossen zu halten. Von einer Ausweitung der Evakuierungszone will die japanische Regierung aber auch weiterhin nichts wissen.

US-amerikanische Behörden hatten bereits vergangene Woche dazu geraten, den Radius von derzeit 30 auf mindestens 80 Kilometer zu erweitern. Warum Japans Regierung sich gegen diesen Vorschlag wehrt, dürfte wohl mit der Befürchtung zusammenhängen, dass bei einer Massenflucht die Infrastruktur in der Region zusammenbrechen könnte. Im Umkreis von 80 Kilometern des Atomkraftwerks leben über zwei Millionen Menschen.

Im rund 150 Kilometer entfernten Großraum Tokio mit insgesamt über 35 Millionen Einwohnern ist die Stadtverwaltung darum bemüht, zumindest rund 80.000 Familien mit Kindern unter zwölf Monaten abgefülltes Wasser bereitzustellen. Zudem bat sie Mineralwasser-Abfüllunternehmen darum, ihre Produktion hochzufahren. Edano flehte die Bevölkerung auf NHK zudem an, den Kauf von Trinkwasser auf das Notwendigste zu beschränken, da es für Tsunami-Opfer benötigt werde. In den betroffenen Gebieten gebe es auch weiterhin überhaupt kein Trinkwasser.

Im Katastrophen-AKW Fukushima bleibt die Lage auch weiterhin unübersichtlich. Am Morgen zog gleich in allen vier der beschädigten Reaktorblöcke Rauch und Dampf auf. Die genauen Gründe wollte oder konnte der Kraftwerksbetreiber Telco nicht nennen. Zumindest mussten zeitweise die Arbeiter wegen zu hoher Verstrahlung das Gelände verlassen. In den Reaktorblöcken 1 und 3 wurden die Arbeiten wenig später wieder aufgenommen. Inzwischen ist auch 1 zumindest teilweise wieder an die Stromversorgung angeschlossen. Es bleibt aber unklar, ob damit auch die so wichtigen Kühlsystem wieder in Betrieb gehen können.

Die Situation im Katastrophen-AKW Fukushima ist nach Einschätzung des Präsidenten der Gesellschaft für Strahlenschutz, Sebastian Pflugbeil, sehr dramatisch. Die Strahlenbelastungen in Fukushima seien inzwischen vergleichbar mit den Belastungen nach dem Unglück von Tschernobyl, sagte er in Deutschlandradio Kultur. Der Experte bezeichnete es als "Medienproblem", dass die Nachrichten von der Reaktorkatastrophe langsam in den Hintergrund rückten: "Faktisch geht das Problem in Japan erst los."

Der ehemalige Reaktorsicherheitschef des US-Konzerns General Electric warnt indes gar vor neuen Risiken. Nach der Kühlung der Anlagen mit Meerwasser hätten sich in den Reaktoren große Mengen Salz angesammelt, das die Brennstäbe verkrusten und damit die Wasserkühlung blockieren könne, sagte Richard Lahey der New York Times.

Er schätzt, dass sich im Reaktorblock 1 etwa 26 Tonnen Salz angesammelt haben könnten, in den größeren Blöcken 2 und 3 sogar jeweils 45 Tonnen. Ein Teil des Salzes könnte sich am Boden der Reaktoren abgelagert haben. Bei einer Erhitzung des Meerwassers sei es aber durchaus wahrscheinlich, dass sich Salz vor allem an den Brennstäben ablagern könnte.

General Electric hat die Siedewasserreaktoren in Fukushima entwickelt.

mit dpa, dapd, kyodo

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11 Kommentare

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  • A
    Akimoto

    Der Irrglaube, die Japaner hätten nicht dieselben Ängste wie die Deutschen, zeugt von westlicher Überheblichkeit und Unkenntnis der japanischen Kultur.

     

    Nur ein westlicher Dummkopf glaubt, weil ein Japaner seine Angst nicht herausschreit oder nicht offen zeigt, würde er keine Angst haben.

  • S
    Stefan

    Zu der Frage von Carsten Thumulla:

     

    Wer sagt eigentlich, dass nur das Containment mit Wasser vollgepumpt wurde? Die werden doch auch Meerwasser in die Reaktordruckbehälter gefüllt haben, evtl. sogar dort durchgeleitet, oder? In jedem Fall sollen ja einige Druckbehälter kaputt sein, so dass das Meerwasser aus dem Containment zwangsläufig bis zu den Brennstäben gelangt ist.

  • R
    Ralfo

    @ Bernd Schlüter

    Westwind. Die Windrichtung ist definiert, als die Richtung aus der der Wind kommt. In der SZ heute im Artikel den gleichen Fehler gefunden.

  • MR
    Michael Ries

    Insgesamt berichtet die TAZ nicht schlecht über die Katastrophe. Allerdings: Wo bleibt der wichtige Hinweis darauf, daß offensichtlich schon Plutonium ausgetreten ist, wie die Süddeutsche unter Berufung auf TEPCO seit gestern berichtet? Bisher war immer nur von Jod und Cäsium die Rede. Sollte jedoch das Teufelszeugs tatsächlich nach draußen gelangt sein, dann sieht es ganz finster aus. Aus diesem Anlaß spricht der Experte Pflugbeil, der von Euch zitiert wird, bereits vom SUPPERGAU. Andere Medien greifen diese Meldung komischerweise auch nicht auf. Bitte TAZ, geht dem nach, das muß man von Euch erwarten!

  • H
    henk

    wie gut sich salz zur endlagerung eignet, wissen wir ja eher aus der asse...

     

    desweiteren läßt der artikel mich mit mehr fragen als antworten zurück:

     

    wie groß sind diese reaktoren eigentlich, daß da mal so eben 45 t salz auf den boden passen?

    wieviel meerwasser muß man denn verdampfen um 45t salz zu gewinnen?

    das hört sich alles so an, als wären diese salzmassen im innern der schutzhüllen. also müssen ja alle drei von "salzbergen" betroffenen blöcke zerstörte sicherheitshüllen haben, die bilder im fernsehen zeigen ja, daß sie das meerwasser von außen auf/in den block schießen. oder wie hab ich mir das vorzustellen?

  • B
    Brigitte

    Zumindest eine Zeitung, die richtig informiert. Danke an die Redaktion.

  • CT
    Carsten Thumulla

    Blödsinn, die Brennstäbe befinden sich noch nicht im Containment, oder habe ich was verpaßt?

     

    Carsten

    --

    "Aus unseren Betrieben ist noch mehr rauszuholen." Erich Honnecker

  • SK
    Sir Kiebitz

    Salzberge? BERGE?

     

    Leuteleuteleute ... Ihr nähert Euch mit Euren Formulierungen und den Bildern (das grün leuchtende Bild Tokyos gestern, der SALZBERG als Schüttgutlager heute) langsam dem Blöd-Zeitungsreißerniveau. Wo bleiben die Worte "Atom-Terror" und "Atom-Schrott" sowie "Atom-Tod"?

  • BS
    Bernd Schlüter

    Ein Vorteil einer Salzschmelze könnte sein, dass sich die Brennstäbe darin lösen könnten und man dann alles zusammen mit Wasser ins Meer spülen könnte.

    Weit ungefährlicher wäre jedoch die Verwendung sehr großer Mengen Meerwasser. Es ist aber nicht zu erkennen, dass Anstrengungen gemacht werden, entsprechende Rohrleitungen ins freie Meer zu legen.

    Angesichts der bisherigen Untätigkeit ist die bisherige Taktik, bei Ostwind die glühenden Brennelemente einfach als dunklen Rauch in die Luft verdampfen zu lassen, nicht die schlechteste.

    Schließlich haben wir auch Tschernobyl überlebt.

    Das Gebiet östlich von Fukushima ist ziemlich dünn besiedelt. Im Wesentlichen von Meerbewohnern.

    Bernd Schlüter

  • JP
    Johannes Peters

    Wenn man schon General Electric erwähnt, sollte man auch nicht unterschlagen, dass schwere Probleme bei der Notkühlung dieser Reaktoren seit 1971 bekannt sind:

     

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34395/1.html

  • HR
    HP Remmler

    Wahrscheinlich beginnen die jetzt schon mit der Endlagerung. Aus Gorleben wissen wir ja, wie toll sich Salz dafür eignet.