Nachtflug: Platzeck will mehr Ruhe
Brandenburgs rot-rote Koalition will Volksbegehren zu Nachtflugverbot annehmen. Wowereit bedauert das „zutiefst“.
„Unser Einsatz hat sich gelohnt“. Matthias Schubert, Sprecher des Volksbegehrens zum Nachtflugverbot in Schönefeld gab sich erleichtert. Gerade hatte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) angekündigt, dass seine rot-rote Koalition das Volksbegehren annehmen und damit zum ersten erfolgreichen in Brandenburg machen wird. Schon kommende Woche soll es dazu im Potsdamer Landtag den nötigen Beschluss geben. Die geforderte Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr, über die Platzeck nun mit dem Land Berlin und dem Bund verhandeln soll, bleibt trotzdem in weiter Ferne. Denn Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) machte schnell klar, dass für ihn weiter nur die bislang vereinbarte Ruhezeit von 0 bis 5 Uhr gilt.
Die Initiative zu einem längeren Nachtflugverbot hatte in der zweiten Phase des Volksbegehrens bis Dezember 106.000 gültige Unterschriften gesammelt, nötig waren nur 80.000. In Berlin war ein ähnliches Volksbegehren im Herbst gescheitert. Würde der Landtag nicht zustimmen, käme es zu einem Volksentscheid, dem ersten in Brandenburg. Als Termin war bereits der 16. Juni ins Auge gefasst. Platzeck müsste zwar nicht unbedingt befürchten, bei diesem Volksentscheid zu unterliegen. In einer Meinungsumfrage Ende Dezember sprachen sich landesweit 54 Prozent der Brandenburger gegen eine Flugpause zwischen 22 und 6 Uhr aus, nur 43 dafür. Außerdem war fraglich, ob genug Stimmberechtigte zur Urne gehen würden, weil es am 16. Juni keine parallel Wahl gibt.
Dass Platzeck, der nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Ende 2011 gegen ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr noch von einem „guten Tag für Wirtschaft und Beschäftigte in unserer Region“ sprach, einlenkte, hat andere Gründe. Einer besteht darin, dass sein Koalitionspartner Linkspartei mit dem seit einem halben Jahr amtierenden Fraktionschef Christian Görke immer stärker das Volksbegehren unterstützen. Zum anderen sorgte sich Platzeck nach eigener Darstellung, durch einen Volksentscheid einen tiefen Graben zwischen Befürwortern und Gegner längerer Flugpausen aufzureißen. „Es wäre zu befürchten, dass Monate der Kampagne zur Spaltung der Gesellschaft führen würden“, sagte er. SPD und Linkspartei seien deshalb am Montag im Koalitionsausschuss zu dem Entschluss gekommen, „dass es richtig und sinnvoll ist, das Volksbegehren anzunehmen.“
Platzeck sprach von einem klassischen Zielkonflikt zwischen Wirtschaftlichkeit des Flughafens und Akzeptanz in der Bevölkerung. Für SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher geht das eine nicht ohne das andere: „Ein wirtschaftlich erfolgreicher Flughafen kann nur dann bestehen, wenn es in seinem Umfeld größtmögliche Akzeptanz gibt.“ Holzschuher machte aber auch klar: Eine einseitige Änderung des Planfeststellungsbeschlusses, der bislang nur ein Flugverbot von 0 bis 5 Uhr vorsieht, „ist rechtlich nicht möglich.“ Die andere Seite aber will nicht mitziehen. „Ich bedauere zutiefst, dass Brandenburg offenbar den gemeinsam festgelegten Kurs für die Entwicklung des Flughafens BER verlassen will“, äußerte sich Wowereit. Die getroffenen Regelungen zu korrigieren, „wäre ein Kurswechsel in die falsche Richtung“.
Damit liegt Wowereit auf einer Linie mit der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). Für die wäre durch die längere Nachtruhe der BER zum „Halbtagsflughafen“ abgewertet. „Eine Ausweitung der Beschränkung ist nicht akzeptabel“, sagte IHK-Vizechef Christian Wiesenhütter. Er skizzierte ein Katastrophenszenario, das an die Berlin-Blockade von 1948/49 erinnerte: Ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr würde „wichtige Interkontinentalverbindungen kosten, Berlin von internationalen Personen- und Warenströmen abschneiden und perspektivisch mehrere tausend Arbeitsplätze verhindern.“ In Brandenburg schlägt selbst die nicht gerade wirtschaftsfeindliche CDU eine zumindest auf 23 bis 6 Uhr ausgeweitete Ruhephase vor.
Die Brandenburger Fraktionschef von SPD und Linkspartei wollen am heutigen Mittwoch mit den Initiatoren des Volksbegehrens über den weiteren Ablauf reden. Wie geplant soll es am Donnerstag im Infrastrukturausschuss des Landtags eine Anhörung zur Forderung nach mehr Nachtruhe geben. Die eigentlich erst für den 21. März angesetzte Abstimmung des Parlaments über das Volksbegehren soll hingegen auf nächste Woche vorgezogen werden. Nur schwammig äußerte sich Platzeck zu der Frage, bis wann seine Verhandlungen mit Berlin und dem Bund abgeschlossen sein sollten. „Zügig“, antwortete der Ministerpräsident lediglich, um dann wenigstens nachzulegen, man könne davon ausgehen, dass bis zur brandenburgischen Landtagswahl im Herbst 2014 Klarheit herrscht.
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