Nachspiel der Relegation: Die Repressionsschraube quietscht
Die Düsseldorfer Rasenparty landet vor dem Sportgericht. Rufe nach neuen Wegen gegen Fangewalt werden laut. Die Justiz hat nur noch wenig Spielraum nach oben.
BERLIN taz | Die geplante Party fällt erst einmal aus. Fortuna Düsseldorf sagte die Aufstiegsfeier, die in der Arena am Rhein für den Samstag geplant war, zunächst ab. Der Aufstieg der Fortuna, den Fans und Spieler nach dem 2:2 gegen Hertha BSC am Dienstagabend bereits ausgiebig gefeiert hatten, wird noch einmal verhandelt.
Nachdem die Berliner Einspruch gegen die Wertung des Spiels eingelegt hatten, entscheidet das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes am Freitag, wie es weitergeht im Kampf um den letzten immer noch freien Platz in der Bundesliga. „Wir sind nach einer Analyse der Situation zur eindeutigen Entscheidung gekommen, dass ein regulärer Spielbetrieb unter diesen Umständen nicht mehr möglich war.“
So begründete Herthas Sportmanager Michael Preetz den Einspruch. Vor dem Sportgericht vertreten wird der Klub von Sportanwalt Christoph Schickhardt, der am Tag nach dem Spiel bemüht war, über verschiedene Medien Stimmung für seinen Mandanten zu machen.
Das Spiel, das in der 97. Minute unterbrochen werden musste, nachdem Hunderte Fans von Fortuna Düsseldorf auf den Platz gerannt waren, um den Aufstieg zu feiern, obwohl die Partie noch gar nicht abgepfiffen war, hätten die Berliner nur deswegen fortgesetzt, weil sie von der Polizei dazu aufgefordert worden sei. Die hätte von einem „Blutbad“ gesprochen, das es zu verhindern gelte.
Verfrühte Rasenparty
Hertha-Spieler, so Schickhardt, hätten mit Todesangst in der Kabine gesessen. Die verfrühte Düsseldorfer Rasenparty wurde landauf, landab schnell als hässlicher Fan-Exzess gebrandmarkt. Der DFB und der Ligaverband DFL veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung und kündigten „neue Wege“ im Umgang mit den Fans an.
„Die jüngsten Ausschreitungen zum Saisonende machen einmal mehr auf traurige Weise deutlich, dass die bisherigen Konzepte und Maßnahmen allein nicht mehr ausreichen“, heißt es weiter in der Erklärung. DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock deutete in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt an, wie er sich diese neuen Wege vorstellt.
So gebe es „die Möglichkeit zu verhindern, dass sie sich an Spieltagen in Bewegung setzen. Über Ansprachen, über Meldeauflagen, über Reiseverbote. Zudem brauchen wir eine stärkere Sensibilisierung der Justiz.“ Wie stark diese bereits sensibilisiert ist, und wie wenig Spielraum es da noch nach oben gibt, zeigt indes ein Urteil vom März.
Das Landgericht Osnabrück hatte einen 24-jährigen Fan wegen gefährlicher Körperverletzung zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Der junge Mann hatte beim Spiel des VfL Osnabrück gegen Preußen Münster einen illegal erworbenen Böller gezündet und damit für Knalltraumata und Verletzungen durch herumfliegende Teile des Böllers gesorgt.
Gestrichene Privilegien
Auch Bundesinnenminister Joachim Friedrich drehte am Tag nach dem Spiel zumindest verbal an der Repressionsschraube. Er sieht dabei die Vereine in der Pflicht. Sie sollten von den Fans verlangen, Verhaltenskodizes zu unterschreiben. Andernfalls sollten den Anhängern die Privilegien, die sie beim Kartenerwerb, bei der Finanzierung von Auswärtsfahrten und der Nutzung von Vereinsräumen zur Vorbereitung ihrer Kurvenchoreografien genießen, gestrichen werden.
Ein Vorschlag, der ins Leere geht. Die Fans akzeptieren mit dem Erwerb der Eintrittskarte ohnehin die jeweilige Stadionordnung, in der längst steht, was in einem Fankodex auch festgehalten wäre. Darauf haben auch Bremer Ultras verwiesen, als sie sich weigerten, einen im Jahre 2007 von Werder Bremen ausgearbeiteten Fan-Ethik-Kodex zu unterzeichnen.
In dem sollten sich die Ultras unter anderem verpflichten, Gesänge und Spruchbänder, die sich gegen die gegnerischen Vereine richten, zu unterlassen und auch den Schiedsrichter nicht auszupfeifen. Das wollten sich die Fans allerdings nicht verbieten lassen, die zugleich bemängelten, dass ihnen der Kodex zur Unterschrift vorgelegt worden sei, ohne dass man vorher mit ihnen über den Inhalt gesprochen habe.
Ermittlungen gegen vier Herthaner
Dass Fehlverhalten beim Fußball durchaus nicht nur von den Fans ausgeht, zeigen die Fälle, in denen das DFB-Sportgericht im Nachgang zur Relegation auch noch entscheiden muss. Der Kontrollausschuss ermittelt gegen vier Herthaner. Thomas Kraft, Andre Mijatovic und Levan Kobiashvili sollen Schiedsrichter Wolfgang Stark nach dem Spiel beleidigt haben.
Letzterer soll sogar tätlich geworden sein und Stark in den Nacken geschlagen haben. Christian Lell muss sich für sein Verhalten dem Düsseldorfer Assani Lukimya gegenüber verantworten. Nach einem heftigen Wortwechsel soll Lell den Düsseldorfer angespuckt haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden