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SanssouciNachschlag

■ Kabarett im Mehringhof: Matthias Deutschmann

Artigen Beifall gab es bei der Premiere von Matthias Deutschmanns neuem Programm „Wenn das der Führer wüßte“. Zwei Stunden lang lieferte der Kabarettist seinen Bericht zur Lage der Nation, spielte wie gewohnt mit den Wörtern, drehte und verdrehte sie so lange, bis am Ende große Fragezeichen stehenblieben, die scheinbar nur durch seine als Antwort getarnten Pointen weggeräumt werden können. Deutschmann zwingt sein Publikum zum Nachdenken. Ab und zu greift er dann zum Cello, zupft oder streicht einige Tonfolgen, die sich erst zu einer hübschen Melodie addieren, um dann in eine düstere Nationalhymnenversion überzugehen. Womit er wieder beim Thema wäre. Und dann geht es schon wieder weiter mit dem satirischen Rundumschlag gegen alles, was aus der Politik an die Öffentlichkeit dringt: der Dilettantismus alltäglicher Politik, die Renaissance konservativer Wertmaßstäbe, das ach so lange unterdrückte Nationalgefühl – „die Themen marschieren auf der Straße“.

Trotzdem: am Ende nur artiger Beifall, auch für Deutschmanns Exkursionen ins Private. „Der Höhepunkt männlicher Lust bringt ein Maximum an unmittelbarer Umweltverschmutzung.“ Die kleinen Beutelchen, die den „entstehenden Sondermüll entsorgen sollen“, erinnern Deutschmann an ein Zitat des preußischen Generals Clausewitz: „Nichts ist schwieriger als der geordnete Rückzug aus einer unhaltbaren Position.“ Dieses Zitat gibt seinerseits die Erklärung für die geringe Begeisterung des Publikums. Matthias Deutschmann befindet sich selbst auf dem Rückzug. Noch in seinem letzten Programm zeichnete er sich durch eine wohltuende Distanziertheit aus. Im „Kleinen Fegefeuer“ brachte er Denkfehler und -faulheiten auf den Punkt. Auf seine neue Vorstellung trifft dies nur noch zum Teil zu. Allzuoft sucht er den kleinsten gemeinsamen Nenner mit dem Publikum: Kanzler = Müllproduzent, Blüm = Hofnarr, Ossi = naiv.

Wer hat Matthias Deutschmann nur eingeredet, daß er sich in einer unhaltbaren Position befand, als er im „Kleinen Fegefeuer“ mit der intellektuellen Linken abrechnete? Es war eine Fehldiagnose. Denn als er als Zugabe noch einmal Ausschnitte aus dem vorigen Programm bringt, kann sich das erst so beifallsmüde Publikum vor Begeisterung kaum noch beruhigen. Olaf Lippegaus

Noch bis zum 19.12., mittwochs bis sonntags, 21 Uhr, Mehringhoftheater, Gneisenaustraße 2a, Kreuzberg.

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