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Nachschlag

■ Querelen um Lesung von Meinhof-Texten in Weißensee

Dem biographischen Munzinger-Archiv ist Ulrike Marie Meinhof kein einziges loses Blatt wert. Selbst das Zusammenstellen unkommentierter Daten aus dem Leben einer RAF-Frau ist offensichtlich tabu. Man übt sich in Ignoranz – so gesehen ist Herr Joachim Kanitz, Vorsitzender der CDU-Fraktion in Weißensee, in renommierter Gesellschaft. Oder anders gesagt: Auch Nichtwissen schützt vor Torheit nicht. Denn eigentlich nichts gewußt hat Herr Kanitz über eine Veranstaltung am 7. Oktober (an dem Ulrike Meinhof 60 Jahre alt geworden wäre). Im Weißenseer Kulturhaus Peter Edel haben damals fünf Schauspielerinnen von der „edelfrauenbühne“ journalistische Texte von und biographische Texte über Ulrike Meinhof gelesen. Einzig aufgrund einer entsprechenden Kurznotiz im Bezirksblättchen Weißensee aktuell sah sich Kanitz postwendend zu einer Großen Anfrage in der Bezirksverordnetenversammlung genötigt: „1. Wer ist dafür verantwortlich, daß in Räumen des Landes Berlin einer Terroristin postum ein Podium geboten wurde? 2. Sind für diese Veranstaltung öffentliche Mittel verwandt worden? 3. Sollte diese Veranstaltung eventuell in besonderer Form das 45jährige ,DDR-Jubiläum‘ würdigen?“ Ein harter Schlag für Herrn Kanitz muß gewesen sein, daß sein Freund, der SPD-Bürgermeister Gerd Schilling, sich genau diese Veranstaltung – noch bevor die Große Anfrage in der BVV am 9. November (sic!) beantwortet werden wird – am 3. November ins eigene, Weißenseer Rathaus (die Ex-Stasi-Zentrale, sic!!) geholt hat.

Vorgestern abend also war Kanitz denn auch anwesend, um sich über den Inhalt dessen zu informieren, worüber er Große Anfragen stellt. Der Textcollage unter der künstlerischen Leitung von Roswitha Kämper mochte er denn aber wohl überhaupt nicht folgen. Denn diese stellte mit Zitaten von Heinrich Böll, Renate Riemeck oder Klaus Wagenbach immer wieder neu die Frage, ob Ulrike Meinhof eine Theoretikerin oder eine zweite Rosa Luxemburg gewesen sei, ob sie „nur“ Täterin oder ein „Opfer der deutschen Verhältnisse“ war (Wagenbach). Kanitz lechzte nach Antworten, wo keine gegeben werden sollten, und wußte am Ende selbst nicht mehr, was er sich denn eigentlich von der Veranstaltung erwartet hatte. Nur, daß er es schon vorher gewußt hatte, wußte er genau: daß er „sowas“ nicht in seinem Bezirk hätte haben wollen. Wäre es nach ihm gegangen. Seine Große Anfrage will er aufrechterhalten. Silvia Plahl

Frauenzentren, alternative Spielstätten und Kulturhäuser, die Interesse an der Lesung haben – Telefon: 965 72 42.

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