■ Nachschlag: "Vermummte" - ein israelisches Stück in der Vagantenbühne
Naim, Khaled und Da'ud sind Brüder. Und sie sind Palästinenser. Naim hat die Familie verlassen, ist in die Berge gegangen und kämpft gegen die israelische Armee. Khaled, der jüngste, arbeitet in seinem Heimatdorf bei einem Metzger. Da'ud aber, der älteste, ist Tellerwäscher in Tel Aviv. Dabei verdient er ungewöhnlich viel Geld. „Vermummte“, das erste Drama des heute 32jährigen israelischen Autors Ilan Hatsor, entstand 1990, drei Jahre nach Ausbruch der Intifada. Um „einem jüdisch-israelischen Publikum seinen Feind näherzubringen“, machte er Araber zu den Protagonisten. Er wollte „durch ihre Augen sehen“, zitiert ihn das Programmheft der Vagantenbühne, wo das Stück am Mittwoch Premiere hatte.
Drei Männer, drei Positionen, zwei Wahrheiten. Naim ist in sein Dorf gekommen, um mit Da'ud zu sprechen, der sich der Kollaboration verdächtig gemacht hat. In einer Stunde wird das „Komitee“ erscheinen, um ihn zu verhören. Naim will vorher wissen, ob der Verdacht begründet ist, um Da'ud, wenn er unschuldig ist, zu retten. Das ganze Elend des Lebens unter israelischer Besatzung fächert sich auf. Die Familie verlassen und kämpfen? Oder sich arrangieren? Naim will Freiheit, Da'ud vor allem weiterleben, Khaled versucht – erfolglos – zu vermitteln. Naim wundert sich, daß Da'ud in Tel Aviv übernachtet hat, als die letzte Razzia im Dorf war. „Geld von den Juden, zum Preis von dem Blut meiner Freunde!“ schreit er.
Ein geschicktes psychologisches Stück, das böse endet. Eine Kammertragödie, die auf jede Gesellschaft anwendbar ist, in der sich Menschen zwischen aktiver oder passiver Kollaboration und Widerstand entscheiden müssen. Inszeniert hat es in der Vagantenbühne Folke Braband. Oder besser: Er hat es arrangiert. Alexander Heidenreich als Khaled hat zweifellos Bühnenausstrahlung, aber von der Regie allein gelassen, steht er meist nur da. Andreas Schmidt als Kollaborateur übt sich in fahrigen Gesten, und Christian Schramm als Partisan schiebt entschlossen den Unterkiefer vor. Ab und zu setzt sich jemand hin und steht wieder auf. Ein statischer Realismus, der nicht mehr vermag, als die verschiedenen Stufen der Anspannung in Lautstärke zu übersetzen. So bringt es auch nichts, die Augen zu schließen und die Sache als Hörspiel aufzufassen. Petra Kohse
Heute und 17./18.12., 20 Uhr, Vagantenbühne, Kantstraße 12a
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