■ Nachschlag: Festliches Klassentreffen mit Diva: Georgette Dee in der Volxbühne
Natürlich muß sie nicht mehr buhlen um ihr Publikum. Man kennt sie, man kennt ihn, und welches Geschlecht auch immer auf diese Person zutrifft, um eine Diva handelt es sich gewiß, die sich da auf der Bühne einfindet, um aus dem Leben zu plaudern: Georgette Dee. Längst dem Underground entwachsen, eine alte Bekannte, die es wohl demnächst mindestens zu einer Abendshow bei den Öffentlich- Rechtlichen bringen wird. Alle lieben sie. Ein „Wunschkonzert“ hat sie uns gewährt in der Volxbühne. Und es war schön, dieser Tochter im Geiste der Knef bei ihren Gesprächen um Weihnachten und Indonesien, eine Autogrammsekunde in Minden, über Männer als solche und Liebhaber im speziellen zuhören zu dürfen. Alles hat sie uns gegeben, alles, was wir von ihr erwarten konnten: Sie soff Wein, rauchte wie ein Schlot, mehr noch: wie eine Reklame für das Rauchen von langen Damenzigaretten, weil es einfach schmückt. Und schlängelte mit ihren Armen und warf Blicke, wie es sich keine emanzipierte Frau mehr trauen würde, lasziv und nahbar. Terry Truck am Piano, ein Lilienbouquet von einem Zuschauer und viele spitze Schreie, wenn sie sang, was wir kennen: Den Traum vom „Fliegen“, diesen melancholischen Evergreen von Alexandra, und gab „Alles von mir“, fast 15 Titel von den 30, die zuvor auf Wunschzettel erbeten wurden. Ja, das war wie früher, als man noch Wünsche erfüllt bekam, weil sie doch eigentlich unerfüllbar waren. Aber Georgette Dee, diese Walküre mit der Seele eines zarten Entleins, diese einzige Diva außerhalb der weiblichen Geschlechtsgrenzen, bewies Gnade: Alles für ihre Fans.
Es gibt natürlich Kritik an ihr. Daß sie nicht mehr so authentisch wirke wie einst in den Clubs, so geheimbündlerisch. In Wirklichkeit mögen diese Kritteler nicht einsehen, daß sie älter geworden sind und die Dee immer noch ganz die alte geblieben ist. Kann sie denn etwas dafür, daß ihre CDs nicht aussehen wie Raubkopien und ihre Podien etwas prominenter geworden sind? Vielleicht ist es ein exklusives Problem der Erstfans, daß ihre nachgewachsenen Freunde so tun, als wären sie schon immer dagewesen. Damit muß man leben. Die Sängerin kann das längst, sie mag Erfolge, ihren eigenen am liebsten. Lang anhaltender Beifall so gegen nachts um eins, damit sie darin badet. Applaus vor dem Übertritt in das glitzernde Reich des Pop? Mary (die von Gordy) muß nicht als Beispiel gelten, wie frau scheitert, wenn sie hoch hinaus will: Georgette Dee würde nie für Marmelade tingeln gehen. Für Sekt und Nikotin? Sicher, aber das geht nicht, um vor der ersten Reihe präsentiert zu werden. So wird sie uns noch lange erhalten bleiben. Göttin sei Dank. Jan Feddersen
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