■ Nachschlag: „Sugar Brown-Divine and May“ im Friends of the Italian Opera
„Kill a man, go to jail and make a friend“ – so in etwa läßt sich das Dialog-Stück der afroamerikanischen Dramatikerin China Clark – aus deren Feder übrigens auch zahlreiche Episoden der Bill-Cosby- Show geflossen sind – mit einem Satz beschreiben. Doch wenn sich zwei Frauen begegnen, die, einmal abgesehen von der Tatsache, daß sie beide dieselbe Hautfarbe haben, nichts an Gemeinsamkeiten mitbringen, dann verläuft das in der Regel nicht so unproblematisch, wie uns die wohlmeinenden Geschichten der Huckstable-Bilderbuchfamilie immer gern weismachen sollen.
May zum Beispiel ist absolut mies drauf. Über den neuen Zellenzuwachs in Gestalt von Sugar Brown-Divine ist die griesgrämige May alles andere als begeistert. Sugar Brown, gespielt von China Clark selbst, ist hübsch, zierlich, eine Hinterwäldlerin aus Nebraska und obendrein auch noch liebenswert. Kurz: Ihre neue Zellengenossin sieht so aus wie eine von denen, die sie früher beim Schulsport immer verprügelt hat. Denn Mädchen wie Sugar kommen selbst als Freshman in die erste Mannschaft, nur weil sie nett sind und lange Haare haben.
Obendrein scheint Sugar auch noch verrückt zu sein: „I'm a poet!“, so behauptet sie von sich, das brächte May niemals über die Lippen, obwohl sie selbst auch dichtet. „Poetry is like catching air in a bag!“ meint Sugar. „Du mußt nur einfach dran glauben, daß sie da drin ist!“ Für Sugar sind die Gläser immer halb voll. May dagegen kommt aus einem Viertel, in dem sich selbst Schwarze untereinander die Rübe einschlagen, und hübsch ist sie auch noch nie gewesen.
Wenn Sugar Brown-Divine ihre Gedichte reimt, dann klingt das ganz weich, fast wie Gesang. Reimt dagegen Zellengenossin May, dann ist das Rap, manchmal charmant, manchmal witzig. Aber am Ende, wenn sie erzählt, warum sie ihren Mann umgebracht hat, dann wird sie regelrecht aggressiv, wackelt im Rhythmus ihrer Erzählung mit dem Kopf und rollte dabei die großen kohlschwarzen Augen.
Mit minimalistischen Mitteln und brillanten Dialogen beschreibt China Clarks Schauspiel die Freundschaft zwischen zwei ungleichen Frauen. Es geht um Selbstzweifel, um Ungerechtigkeit und Gewalt. Völlig simpel eigentlich, aber unterhaltsam umgesetzt, ohne auf Stereotypen herumzureiten, die man aus der Welt des HipHop derzeit zur Genüge kennt. Kirsten Niemann
20 Uhr, Friends of the Italian Opera, Fidicinstraße 40, Kreuzberg
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