■ Nachschlag: GermaniasSehnsucht - in der Schaubühne
Statt ZionsSehnsucht, wo es um die Sehnsucht der Juden nach dem gelobten Land ihrer Väter und Mütter geht, ein Blick auf GermaniasSehnsucht. Ein Blick auf die Deutschen und ihr ewiges „Das Land der Griechen mit der Seele suchen“, wie es Goethe sagte, „um uns über den Kummer und den Verdruß zu trösten, den die eigene Kultur uns zuweilen bereitet“, wie es Egon Brunner sagt. Der ist Soldat der deutschen Wehrmacht und im Kriegsjahr 1944 in das Land der Griechen eingefallen. Und weil er Fallschirmspringer ist, hat sein Regimentskommandant den originellen Einfall, ihn Ikarus zu nennen, und zwar einen Ikarus, dessen Flügel aus Eisen sind, die schmelzen nicht in der Sonne. Dafür schmilzt ihm allerdings das Hirn. Im Angesicht der Säulen und Ruinen von Knossos entwickelt er einigermaßen abstruse Ideen, was die Deutschen, ihren Ursprung und die teutonischen Träume, die sie quälen, betrifft. Das hat mit der etwas traurigen Biographie des jungen Mannes zu tun, aber auch damit, daß er Homer auf eigentümliche Weise mißverstand. Und damit, daß Egon Brunner die Manis traf. Die Manis, die daher kommen, wo Brunner hin will, nämlich aus dem Zentrum der abendländischen Kultur. Und da kommt eben Neid auf. Brunners Bemühungen, selbst an diesen obskuren Ort der Begierde zu gelangen, scheitern gründlich.
Die Manis sind eine jüdische Familie, deren Geschichte Abraham B. Joshua in fünf Gesprächen und durch 200 Jahre hindurch in einem Roman erzählt, in den auch der deutsche Soldat Egon Brunner gehört. Das zweite Gespräch daraus haben Cornelius Obonya und Olaf Hensel-Kirscht an der Schaubühne zu einem Monolog für zwei Schauspieler verarbeitet, wo es dann weniger um die Manis geht als um das Bild, das der israelische Autor von dem Deutschen Brunner malt, in dem sich leicht ein deutscher Archetypus ausmachen läßt. Obonya und Hensel-Kirscht stürzen sich mit somnambulen Eifer auf den reichlich pathologischen Fall. Ein kleines Holzpodest im hintersten Teil des Schaubühnen-Foyers. Zwei Stühle stehen drauf, und dann kommen auch schon die Schauspieler mit ihren Textbüchern und setzen sich. Erst lesen sie noch. Doch die Textbücher sind bald weggelegt. Der Blick schweift ins Ferne, Unbegrenzte. Ins Land, wo die Zitronen und der Irrsinn blühen. Von weitem ist eine Klezmer- Klarinette zu hören. Manchmal geht die Tür auf, und weil die Tür direkt ins Freie führt, kommt herrlich frische Luft herein. Esther Slevogt
Termine: 12.3., 13.3., 15.3., 20.3., 21.3., 28.3. und 31.3.
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