■ Nachschlag: Alte Recken, junges Volk: Die Folkpunkrocker New Model Army auf Mitgrölkurs im Huxley's
Es war früher so, es gilt heute noch: New Model Army ist eine Band, an der sich die Geister scheiden. Die Ankündigung, auf ein „New Model Army“-Konzert gehen zu wollen, ließ in meiner Umgebung viele nur den Kopf schütteln, abwinken oder Entsetzen verlautbaren („Was willste denn ausgerechnet bei den alten Cockrockern?“). Aber bei manchen kamen auch Erinnerungen an Parties zu Schulzeiten auf, wo zu „51st State Of America“ selbst die größten Skeptiker ihr Tanzbein schwangen und die Fäuste reckten: Peinlich, wegen des Kollektivrauschs, der unvermeidlich sich breitmachte, trotzdem aber irgendwie schön.
New Model Army waren immer zu nah am Mainstream, als daß man sich zu ihnen ohne Wenn und Aber bekennen wollte, und auch ihr Image als Vorkämpfer einer gerechten Welt erschien immer eine Idee zu aufgesetzt, eine Idee zu sozialpathetisch. Das Faible für ihre treibenden und hymnenhaften Rocksongs mit den einfachen Wahrheiten spukte bei den meisten lieber im Hinterstübchen.
Es wäre also vorstellbar gewesen, daß zu ihrem Konzert ein Haufen alter männlicher Recken mit langen Haaren und speckigen Lederjacken kommen würde – New Model Army sind eben ein Relikt der Achtziger, und die späten Neunziger meinten es nicht allzugut mit ihnen. Doch bei ausgeglichenem Geschlechterverhältnis tummeln sich eher brave und sehr nette, eher junge als alte Menschen in der fast ausverkauften Neuen Welt; Menschen, die keiner Szene zuzuordnen sind, auch wenn viele von ihnen ihre Danzig-, St.-Pauli-, Bad-Religion- und vor allem New-Model-Army-T-Shirts spazierenführen. Gekommen sind sie, um zusammen mit New Model Army „We Love The World“ grölen zu können, und um so überraschter sind die meisten, daß Sänger Justin Sullivan erst mal allein mit der Klampfe auf die Bühne kommt. Grußlos, mit kurzgeschorenen Haaren und dem notorischen Ledermantel, setzt er sich auf einen Schemel, singt zwei Songs und erinnert an Billy Bragg.
Die Band kommt erst nach und nach, die Stimmung ist verhalten. „Die könnten jetzt ruhig mal was Schnelles spielen“, entrüstet sich einer hinter mir. Als man das Gefühl hat, es gehe langsam richtig los, ist Umbaupause: New Model Army sind ihre eigene Vorgruppe, und die schmucklose Rockpost lassen sie dann erst bei ihrem zweiten Auftritt abgehen. Und da werden dann wirklich in der ganzen Halle die Fäuste gereckt, da lassen sich alle von Sullivan und seinen Mitstreitern mit Wonne erlösen, da erzeugt auch „51st State Of America“ die erwünschten Schauer auf dem Rücken. Das funktioniert wie eh und je, und als sich das Konzert dem Ende zuneigt, gibt Sullivan allen noch mit auf den Weg, daß „sich die Zeiten ändern, Faschos aber immer noch auf der Straße herumlaufen“. So einfach, so wahr, so New Model Army. Gerrit Bartels
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen