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■ NachschlagBegeistert tobende Marionetten: Brechts „Heilige Johanna“ im BE

Ein Gastspiel vom Schauspielhaus Zürich am BE. Benno Bessons Inszenierung von Brechts „Heiliger Johanna der Schlachthöfe“. Es ist immer noch Brecht-Jahr. Unglaublicher Applaus am Schluß ergoß sich wie warmer Regen auf das ausgetrocknete Theater. Die Schauspieler, die aus Zürich kamen und doch irgendwie aus Berlin, wie Katharina und Anna Thalbach, Ursula Karrusseit und mehrere Herren namens Besson, verbeugten sich glücklich auf der rot ausgeschlagenen Bühne von Ezio Toffolutti, wo uns der Schlachthof Welt sozusagen in seiner ästhetischen Versachlichung begegnet war und über die sie als begeisterte Brecht-Marionetten getobt waren.

Da war vor allem Katharina Thalbach als Johanna. Eine Johanna mit Haaren auf den Zähnen. Zur Musik von Michel Seigner trat sie mit den Betschwestern von der Heilsarmee auf den Plan, um mit Gottes Wort allein die Seelen von arm und reich zu retten. Ein Hauch von Girlgroup beglückt die Arbeitslosen, von denen sich zunächt bloß die grotesk maskierten Köpfe aus dem Boden nach den Suppenschüsseln recken. Viehzüchter und Fleischfabrikanten verrenken sich im Kampf um Börsenkurse und Moneten. Allen voran Pierpont Mauler (Samuel Fintzi) und sein Mephisto Slift (Pierre Besson). Der alte Brecht klingt dabei so, als hätte ihn Besson, der einst sein Assistent war, für tot erklärt, um ihn sogleich als Humoristen wiederzubeleben. Die blanken Verse laufen wie geschnurrt aus grellgeschminkten Mündern und rufen: Achtung, Ironie!

„Betrachten Sie doch mal den Dienst am Nächsten einfach als Dienst am Kunden! Dann werden sie das Neue Testament gleich verstehen und wie grundmodern das ist. Service! Was heißt denn Service anders als Nächstenliebe!“ doziert Johanna Dark den Herrn Kapitalisten. Und daß es auch eine moralische Kaufkraft gibt, die es aufzurüsten gilt. Was jedoch an reale Kaufkraft gebunden ist, das heißt an Lohn und Geld. Mit diesem Programm möchte man sie glatt auf Wahlkampf in die neuen Bundesländer schicken. Wüßte man bloß, für welche Partei. Aber Zürich ist weit und Brecht noch weiter weg. So bleibt Johanna Thalbach im Theater, wo sie nicht nur zeigt, wie man ein Publikum sehr trefflich unterhält, sondern zuletzt auch lernen muß, daß Gewaltfreiheit sich niemals lohnt („Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht“). Und wir lernen, daß es eine Kluft gibt zwischen Leben und Kunst, und was im Leben vorgeht, erfährt man vom Theater meistens nicht. Obwohl Brecht das doch irgendwie anders geplant hatte. Esther Slevogt

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