■ Nachschlag: Klassiker für Kinder: „Peter und der Wolf“ und „Max und Moritz“
Jeder kriegt sein Fett weg: die angespitzte Witwe Bolte, die ihre Lust am Rupfen und Braten der Hühner auslebt, der fadendünne, nadelflink über die Bühne springende Schneider Böck und der verschnarchte Onkel Fritz, dem der Knick im Kissen das Höchste ist. Die Verse von „Max und Moritz“ halten die Moral hoch, aber die Bilder von Wilhelm Busch zielten immer schon auf die Doppeldeutigkeit der erwachsenen Tugenden. Diese Karikatur bürgerlicher Selbstzufriedenheit und Engstirnigkeit gibt auch dem Ballett Max und Moritz seinen Pfiff. Fast glaubt man, Choreograph Torsten Händler hätte die den Körpern eingezeichneten Deformationen bloß animiert und die Phasen zwischen den Bildern ausgefüllt. Allein die Musik von Gisbert Näher hält manchmal gegen und zeigt Mitleid mit den Figuren.
Doch Max und Moritz waren schon immer böse genug, auch kunsthandwerkliche Solidität zu überleben. Zwischen den Streichen jagt ihr Überschuß an Energie sie in die Lüfte, und endlich haben die Sprünge von Mario Perricone und Kira Kirillova einen guten Grund. Die Kinder jedenfalls, die mit Eltern und schulklassenweise zur Premiere angerückt waren, scherte die Suche nach künstlerischer Eigenständigkeit wenig. Sie ließen sich den Gag, wie Max dem Dirigenten des Landes-Jugendorchesters Brandenburg den Taktstock klaut, am Ende gern wieder und wieder erzählen.
Nichts wird je wieder so eindeutig sein, weder im Leben und schon gar nicht in der Kunst, wie die Tanzerzählung „Peter und der Wolf“ von Serge Prokofieff. Diesem Stück von 1936 haftet seit je etwas von dem Versuch an, die musikalische Moderne zu legitimieren. Davon profitiert das Ballett, denn die Bewegungscharaktere sind gleich mitgeliefert: unbeschwert raumgreifend der die Welt vor dem Gartentor erobernde Peter; luftig, trippelnd der Vogel; linkisch watschelnd die Ente; erdnah und schwer der Wolf. Über diese Zuordnungen kam die Inszenierung von Marek Rozycki kaum hinaus. Ein zwiespältiger Genuß: Denn wenn man sich auch etwas mehr choreographischen Mut gewünscht hätte, so bleibt es doch tröstlich, daß bei Kindern heute noch derselbe Witz funktioniert wie bei uns Eltern und Großeltern schon. Katrin Bettina Müller
Noch am Mi., 20. Mai, 12 Uhr; Staatsoper Unter den Linden 5–7
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen