piwik no script img

■ NachschlagDas neugegründete Büro Artaud zeigt zwei Performances im No

Schwer subkulturell wirkt das Café No an diesem Abend. Der düstere Kellerraum, der mit dreißig Zuschauern schon heillos überfüllt ist, das unvermeidlich schwarzgewandete Publikum, die Rotweingläser. In diesem Ambiente tritt nun das Büro Artaud – ein aus den Nachwehen des frühjährlichen Foucault-Tribunals in der Volksbühne entstandenes Künstlerkollektiv – mit zwei Performances erstmalig an die Öffentlichkeit, als Scharnier zwischen Literatur und Theater. Wir starren auf einen faustgroßen Taschenfernseher. Eine Ratte ist zu sehen, wie sie ihre Gesichtszüge zur Grimasse verformt. Nein, keine Ratte, Paul M. Waschkau ist es, Literat aus der Szene am Prenzlauer Berg, der da um die Kamera schnüffelt. Wenig später steht er in natura auf der Bühne, kotzt Rimbaud, seltener Artaud aus, suhlt sich im Selbstekel, spielt Poetik. „Alles Geschriebene ist Schweinerei!“ Spricht's und wirft Papierknäuel ins Publikum: Da haben wir die Literatur.

Waschkaus dramatisches Arrangement „Böses Blut“ ist zu Beginn beeindruckend, nach einer Weile, als sich die Schockeffekte abgeschliffen haben, unterhaltsam, schließlich, wenn sich die Bühne ganz entblättert hat und Hilla Steinert und Katrin P. Dornier als Cherub und Schlange irgendwie indisponiert in der Kulisse stehen, auch ein wenig langweilig. Daß das Böse gern Wein aus Waschkaus Kelch nimmt, während die Himmelsbotin diesen verschmäht, wer hätte es gedacht? Aber Jane Birkin stöhnt dazu, und Rimbaud fährt zur Hölle oder nach Eisenhüttenstadt.

Unter dem Titel „Kaltes klares Wasser“ texteten Malaria vor sechzehn Jahren einen grausig fischblütigen Popsong. In der Folge läßt sich Hilla Steinert literweise Wasser einflößen, klares Wasser, das ihr aus unzähligen Gefäßen über die Haare, in die Augen, schließlich in die Luftröhre rinnt. „Das Wasser, das“ heißt ihre Performance, und diese ist in ihrer extremen Körperlichkeit tatsächlich erschreckend, hoffnungslos, düster, nicht aggressiv, nur brutal. Die durchweichte Künstlerin wird noch einige Wochen durch Alpträume geistern. Falk Schreiber

„Böses Blut“ wieder am 20.7., 21 Uhr im No, Glinkastraße 23, Karten unter Telefon: 6217364

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen