Nachruf: Der Unmöglichkeit nahe
■ Der Worpsweder Galerist Friedrich Netzel ist tot
Nach langem Krebsleiden ist am 15. Februar der Gründer der „Worpsweder Kunsthalle“ Friedrich Netzel im Alter von 64 Jahren gestorben. Mit seinem Tod endet eine Ära.
Schon sein Großvater verkaufte Papier und Farben an die ersten Freilicht-Maler im Dorf, der Vater baute 1925 das Haus, das zur Keimzelle der Kunsthalle wurde, und der Enkel Friedrich organisierte darin die großen Ausstellungen zum 80., 90. und 100. Jubiläum der Künstlerkolonie.Hier wurden auch die wichtigsten Maler der zweiten und dritten Worpsweder Generation vorgestellt: Richard Oelze und Udo Peters, Tetjus Tügel und Fritz Meckseper, Frauke Migge und Uwe Häßler.
Netzel war Mitglied des schon von Heinrich Vogeler gegründeten „Worpsweder Freundeskreises“. Was von den Alten einst als „Verschönerungs-Verein“ begonnen worden war, mußten aber die Enkel notgedrungen zu einem Verteidigungsclub für die Reste der Schönheit von Sumpf, Moor und Heide machen: Als das Teufelsmoor zum Nato-Schießplatz werden sollte, organisierte der Pazifist Netzel dagegen erfolgreich eine bundesweite Kampagne. Mit Erfolg.
Dann sollte der Weyerberg, weithin sichtbares Zeichen des Künstlerdorfes, abgetragen werden; man brauchte Sand für den Wiederaufbau. Netzel war dagegen, wieder mit Erfolg. Dann sollte in den sechziger Jahren die Dorfstraße auf bundesdeutsches DIN-Format verbreitert werden; dazu hätten die uralten Lindenbäume gefällt werden müssen. Netzel rief eine der ersten Baumschutzaktionen der Republik ins Leben. Die Linden stehen bis heute.
Der Kunstschauplatz Fritz Netzels war nicht wegzudenken aus der Worpsweder Künstlerszene der Nachkriegszeit. Es gab existentialistische Künstlerfeten und literarische Abendgesellschaften, es gab heimatliche Traditionspflege und avantgardisti-sche Ausbruchsversuche.
Alles in allem blieb Worpswede ein Ort im Winkel, doch zu den regelmäßigen Besuchern bei netzel gehörten bald Gustav Heinemann und Helmut Schmidt ebenso wie später Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher.
1972 sorgte der Galerist für die erste Heinrich-Vogeler-Retrospektive mit wichtigen Leihgaben aus der Sowjetunion. 1978 erwarb er sich innerdeutsche Lorbeeren: Er organisierte die erste große Ausstellung von DDR-Künstlern.
Als Galerist, Ausstellungsmacher und Sammler war Friedrich Netzel Autodidakt. Er verband Traditionspflege mit gemäßigter Experimentierfreude, künstlerische Sensibilität mit wirtschaftlichem Augenmaß. So kam es, daß die Worpsweder Kunsthalle sowohl Wallfahrtsort für stinknormale Touristen wurde als auch ein Geheimtip für Kenner blieb. Netzels Lebenswerk kommt der Quadratur des Kreises ziemlich nahe. Rainer B. Schossig
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