Nachruf Blake Edwards: Ungeschoren kommt niemand davon
Er inszenierte "Der rosarote Panther", "Frühstück bei Tiffany", der "Partyschreck" und viele andere Filme. Am Mittwoch ist der große Komödienregisseur Blake Edwards gestorben.
"Ich könnte unmöglich durchs Leben gehen, wenn ich seiner Mühsal nicht eine komische Seite abgewinnen könnte", soll Blake Edwards in einem Interview gestanden haben. Vielleicht gibt es deshalb in seinen Filmen zwischen der Comedy und den physischen Schmerzen keinen wirklichen Unterschied.
Kaum einer seiner Protagonisten bleibt an Leib und Seele unverschont. Sie werden von Zahnärzten misshandelt ("Die Traumfrau"), einer Elektroschocktherapie unterzogen ("Skin Deep") oder angeschossen ("Blind Date"). Der Trick liegt bei Edwards jeweils darin, sich solche Demütigungen nicht zu Herzen zu nehmen. Wer lernt, gesellschaftliche Konventionen zu ignorieren, überlebt. Daher ist sein Inspektor Clouseau praktisch unzerstörbar.
Das Filmgeschäft war Edwards in die Wiege gelegt. Sein Vater war Produktionsleiter in Hollywood, sein Großvater einer der Pioniere des Stummfilms. Geboren 1922 in Tulsa/Oklahoma, begann Edwards seine Karriere zunächst als Schauspieler und Drehbuchautor. Für das Fernsehen kreierte er Ende der Fünfziger die "Peter Gunn"-Serie. Sein Durchbruch als Filmregisseur gelang ihm 1961 mit der Leinwand-Adaption des Romans "Frühstück bei Tiffany" von Truman Capote.
Edwards verlegt die Geschichte des exzentrischen Partygirls Holly Golightly, die mit reichen Männern ausgeht, um zur Upper Class New Yorks zu gehören, aus den vierziger Jahren in seine Gegenwart und entschärfte mit Hilfe von Audrey Hepburns rehäugigem Unschuldsblick die frivoleren und düsteren Aspekte der Romanvorlage. Dennoch war auch Edwards Leinwandversion eine bissige Satire auf die High Society. Glamour war für Edwards immer eine hell leuchtende Zielscheibe. Er verspottete ihn, indem er dessen Hang zum Exzess wörtlich nahm und bis zur Selbstauflösung weitertrieb.
1963 drehte Edwards "Der rosarote Panther", einen Film, der für seinen Hauptdarsteller David Niven maßgeschneidert war. Peter Sellers in einer Nebenrolle als exzentrischer Inspektor wurde jedoch zur eigentlichen Attraktion des Films. Und obwohl Sellers und Edwards sich regelmäßig in den Haaren lagen, waren ihre Karrieren fortan miteinander verknüpft.
Die Figur des Clouseau war ein Glücksfall. Exzentrisch, aber einfallsreich, ein Mann der tausend Verkleidungen, aber ohne jegliches Innenleben, war Sellers ein direkter Abkömmling der Slapstick-Figuren des frühen Kinos: reine Mechanik, die notwendig zur Destruktion führt. Edwards erklärte Vorbilder waren Laurel und Hardy, Mack Sennett und Leo McCarey. Für "Das große Rennen rund um die Welt" inszenierte er die größte Tortenschlacht der Filmgeschichte. Der Filmpublizist Georg Seeßlen bemerkte einmal, die Karriere von Blake Edwards sei eine "bemerkenswerte Slalomfahrt zwischen Anpassung und kleiner Revolte". Edwards gelungenste Filme bewegten sich auf dem schmalen Grat zwischen Eigensinn und Studiozwang, Kreativität und Kinomaschine.
"Der Partyschreck" von 1968, damals ein finanzieller Flop, gilt heute als eine der besten Komödien der Filmgeschichte. Wie Sellers als verirrter indischer Kleindarsteller durch präzise getimte Slapstick-Routinen eine mit sich selbst beschäftigte Gesellschaft in eine sich langsam steigernde Kettenreaktion der Zerstörung verwickelt, die mit der völligen Auflösung endet (ein Haus versinkt in einem Meer aus Schaum), bleibt unnachahmbar. Edwards brachte die Manieren der Oberschicht durch physical comedy zur Explosion.
Nach diversen teuren Flops Mitte der sechziger Jahre fiel Edwards in Hollywood in Ungnade. Sein Studio entzog ihm die Rechte für den Schnitt seiner Filme und erteilte ihm Hausverbot. Enttäuscht erklärte der Filmemacher seinen Rückzug als Regisseur und zog nach Europa um. Erst die neuerliche Aufnahme der "Rosarote Panther"-Serie ab 1975 brachte ihm wieder Erfolg und Anerkennung.
In den achtziger Jahren versuchte Edwards sich mit Filmen wie "Skin Deep" im Genre der Screwball Comedy, mit wechselhaftem Erfolg. Wenn ein Studio ihm mal wieder das Recht auf den Schnitt des Films untersagte, gab Edwards Interviews, in denen er Zuschauer vor dem Besuch seines Films warnte.
Am Mittwoch starb Blake Edwards im Alter von 88 Jahren in Santa Monica an den Folgen einer Lungenentzündung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier