Nachhaltiges Unternehmen Frosch : Der Zukunftsmacher
Der Familien-Unternehmer Reinhard Schneider (»Frosch«) rechnet mit Klimaschutz-Simulierern ab und zeigt, wie Kreislaufwirtschaft politisch und unternehmerisch funktionieren kann.
Von MARTIN UNFRIED
Die Klimadebatte dieser Tage läuft bestens für eine ganz spezielle Gruppe von leidenschaftlichen Blockierern. Je mehr sich die Leute über Straßenblockaden aufregen, desto weniger stehen Wirtschaftsunternehmen im Mittelpunkt, die in den letzten dreißig Jahren außerordentlich effizient waren in ihrem Kampf gegen die Verhinderung ökologischer Katastrophen. Banken, Energiekonzerne und Autoindustrie blockieren auf eine so freundliche Weise, dass niemand in der FDP oder CDU sie dafür als Radikale oder Terroristen beschimpfen würde.
Zugegeben, bei den großen fünf Ölkonzernen Exxon, Chevron, Shell, BP and TotalEnergies ist deren notorische Lobby gegen die Zukunft offensichtlich. Von Exxon und Shell ist gut dokumentiert, dass sie sich seit den 1970er-Jahren in voller Kenntnis für ihr aktuelles fossiles Businessmodell eingesetzt haben – und gegen die Lebensgrundlagen künftiger Generationen.
Ist diese Transparenz für die ein Problem? Nein, auch sie konnten 2022 unbehelligt von einer protestierenden Öffentlichkeit traumhafte Gewinne einfahren, sogar mit großzügigen staatlichen Subventionen an Tanke und Heizungskellern.
Wahrscheinlich ist dies das eigentliche Problem des Protest-Aktivismus der Letzten Generation und ähnlicher Gruppen: die nicht beabsichtigte Ablenkungsfalle. Solange die künstliche Konfrontation Bürger gegen Bürger inszeniert wird, geht es eben nicht um die wesentlichen Fragen. Die lauten: Wer in der Wirtschaft bewegt sich wirklich und wer hat sich seit Jahren festgeklebt und angekettet?
Das ist nicht immer so einfach zu erkennen wie bei den Ölkonzernen.
Der Unternehmer Reinhard Schneider hat in einem gerade erschienenen Buch mit dem Titel Die Ablenkungsfalle beschrieben, welchen Aufwand Unternehmen betreiben, um Klima- und Umweltschutz nicht wirklich zu machen, sondern zu simulieren. Dabei reiche häufig das Erzählte und nicht das Gemachte. Die Nachhaltigkeit sei immer noch ausschließlich in der Public-Relations-Abteilung angesiedelt, mit wenig Einfluss auf das echte harte Geschäft. Die Erfahrungen Schneiders sind besonders interessant, weil er Geschäftsführer eines mittelständigen Familienunternehmens ist, das im Wettbewerb mit multinationalen Konzernen tatsächlich und erfolgreich den Unterschied macht: Werner & Mertz mit Sitz in Mainz. Dessen Marke »Frosch« ist laut Wirtschaftswoche Marktführer bei Haushaltsreinigern in Deutschland.
»FAMILIENUNTERNEHMEN HABEN EINEN WEITEREN PLANUNGSHORIZONT UND SIND EBEN NICHT GETRIEBEN DURCH STÄNDIGE QUARTALSZAHLEN.«
Reinhard Schneider
Ein echter Macher der ökologischen Transformation
Ein Kapitel des Buches widmet Schneider dem sogenannten qualifizierten oder begründeten Vertrauen der Kundïnnen zu einem Unternehmen. Dieses Vertrauen beruhe auf langjährigen guten Erfahrungen und der Transparenz des Unternehmens. Beim Videogespräch zeigt sich Schneider, 54, im normalen Business-Outfit, also kein Öko auf den ersten Blick. Wobei er bei öffentlichen Auftritten gern auch mal einen kleinen Stoff-Frosch am Revers trägt, das Symbol seiner bekanntesten Marke zum Reinigen, Spülen und Waschen. Man merkt im Gespräch, dass er auf diesen Frosch tatsächlich stolz ist.
Woran erkennt der Laie nun, dass es sich hier um einen wirklichen Macher der ökologischen Transformation handelt? Ein Indikator: der Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, den er im Jahr 2019 bekam. Aber wichtiger: Seit mehr als zwanzig Jahren ist das Unternehmen nach dem anspruchsvollen EU-Umweltmanagement-System EMAS zertifiziert. Für den bloßen Schein gibt es einfachere Zertifizierungen.
Auf dem Dach der Produktion wird mit Photovoltaik eigener Strom produziert, das neue Firmengebäude wurde mit klimafreundlichem Recycling-Beton gebaut. Überhaupt ist da die Beständigkeit des Engagements: In den 80er-Jahren war Frosch Pionier bei den phosphatfreien Reinigungsmitteln und half, die Nische der ökologischeren Produkte zu einem Massenprodukt auszubauen. Heute geht es, beispielsweise, um Innovationen für den verstärkten Einsatz von Pflanzenölen aus Europa, die in Tensiden für die Fettlösung gebraucht werden und schrittweise Palmöle ersetzen sollen.
Den Deutschen Umweltpreis gab es aber vor allem für eine Pionierleistung: Die Verpackungen bei Frosch werden in eigener Produktion aus Altmaterial und nicht aus Neuplastik hergestellt. Seit 2021 stammt die eine Hälfte des Altmaterials aus PET-Pfandflaschen, die andere aus dem Gelben Sack. Und das ist wirklich innovativ. Laut Schneider bedeute der heutige Gelbe Sack noch lange keine Kreislaufwirtschaft, sondern ist noch weit von einem vollständigen Kreislauf, dem sogenannten cradle to cradle entfernt. Die Reinigungsflasche im Gelben Sack wird eben normalerweise nicht wieder zur Reinigungsflasche, sondern im besten Fall zur grauen Röhre oder im schlechteren Fall verbrannt.
Insbesondere vor dem Gelben Sack weichen viele Unternehmen zurück. Schneider beschreibt, wie einige Konkurrenten durch falsche Behauptungen auf den Packungen einen signifikanten Altplastikanteil simulieren, wobei es sich oft um Industrie-Rezyklate handele, also Material, das bei der Produktion von Plastikverpackungen übrigbleibt. Im Buch sind einige Beispiele für gezielte Ablenkungsstrategien genannt: Etwa James Quincey, Chairman und CEO der Coca-Cola Company, der vor Jahren in Davos im Beisein Schneiders die ökologische Wende ausrief, um dann – nichts zu tun. Auch im Jahr 2022 wurde Coca Cola nach dem Brand Audit Report der international Organisation »Break Free from Plastic« zum weltgrößten Plastikverschmutzer ausgerufen. Und zwar zum fünften Mal in Folge.
Die Ursachen der mutwilligen Zerstörung sind erfrischend banal: Manager börsennotierter Unternehmen sind der kurzfristigen Rendite verpflichtet. Bis heute gilt bei den großen Konzernen die Wiederverwertung des Plastiks aus Gelben Säcken als besonders aufwendig und ist somit teurer als die Verwendung von neuem Plastik. Also macht man es nicht. Schneider sagt, sein Unternehmen habe bewiesen, dass es zu vertretbaren Kosten gehe.
»ALS DER ÖLPREIS WEGEN DES UKRAINEKRIEGES KURZZEITIG SEHR HOCH WAR, GRIFFEN PLÖTZLICH EINIGE KONKURRENTEN AUF REZYKLATE ZURÜCK, WEIL ES GÜNSTIGER WAR. SOBALD SICH DIE PREISE ERHOLT HATTEN, WECHSELTEN SIE WIEDER ZU NEUPLASTIK!«
Reinhard Schneider
Die Politik könnte den finanziellen Vorteil unökologischer Verpackungen ändern
Und damit sind wir trotz der offensichtlichen Blockaden bei der frohen Botschaft: Den finanziellen Vorteil der unökologischen Variante kann die Politik ändern. Die EU hat mit einer Plastiksteuer genau das probiert. Und die Bundesregierung? Bisher wird die EU-Steuer in Deutschland nicht an die Produzenten weitergegeben, sondern aus dem Haushalt bezahlt. Allein 2021 überwies die Bundesregierung laut BUND rund 1,3 Milliarden Euro Steuergeld nach Brüssel, statt die Verursacher unökologischer, nicht recyclingfähiger Verpackungen in die Pflicht zu nehmen. »Das bedeutet, dass wir pro Kopf im Jahr 16 Euro bezahlen, um das sogenannte Virginplastik nicht zu verteuern!« sagt Reinhard Schneider. Er ist sicher, dass höhere Preise funktionieren: »Als der Ölpreis wegen des Ukrainekrieges kurzzeitig sehr hoch war, haben plötzlich einige Konkurrenten auf Rezyklate zurückgegriffen, weil es eben günstiger war. Aber sobald sich die Preise erholt hatten, wechselten sie wieder zu Neuplastik!«
Das »Machen« wird demnach bisher von der Politik aktiv verhindert. Im Koalitionsvertrag kündigte die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP zwar die Umlage der EU-Plastiksteuer auf Hersteller und Handel an. Bis jetzt hat sich in Christian Lindners Finanzministerium in dieser Sache laut Schneider noch nichts getan. Immer wieder im Gespräch kann Schneider seine Frustration über die FDP nicht verbergen. Wenig begeistert ist er auch vom Bund der Deutschen Industrie (BDI). »Im Sommer 2020 hat sich der Hauptgeschäftsführer des BDI hingestellt und verkündet, die Plastiksteuer sei Gift für Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland.« Das hält Schneider auch heute noch für unfassbar.
Warum sind es häufig die Familienunternehmen, die ökologisch vorangehen? Das, sagt Schneider, habe mit Handlungsoptionen zu tun. »Familienunternehmen haben einen weiteren Planungshorizont und sind eben nicht getrieben durch ständige Quartalszahlen.« Darum könnte das entsprechende Bewusstsein eines Unternehmers tatsächlich in ökologische Innovation umgesetzt werden.
Es würde aber schon helfen, wenn die Börsenanalysten bei den Großen endlich genauer hinschauten, was die ökologischen Standards angehe. Die Ablenkungsfalle, die er im Buchtitel konstatiert, funktioniere auch deshalb so gut, weil die großen Konzerne genug Personal hätten, um geschickt bei den ökologischen Kriterien eine Art »Checkbox-Illusionismus« zu betreiben. Damit meint er, viele Häkchen hinter harmlosen Maßnahmen, die das eigentliche operative Geschäft nicht berühren.
Stellt sich die Frage, ob Pfandsysteme oder Abfüllstationen wie in Unverpackt-Läden nicht noch besser wären. Hier ist Reinhard Schneider mit Blick auf Mainstream-Konsumenten Realist: Die Hygieneanforderungen seien bei Verpackungen von Reinigungsmitteln sehr streng. Trinkflaschen und Reinigungsflaschen zu Hause wirklich getrennt zu sammeln, sei sehr aufwendig. Und wer die Flaschen mit heißem Wasser ausspüle, der habe den Vorteil gegenüber dem echten Kreislauf schon wieder verspielt. Dieser echte Kreislauf ist erreicht, wenn aus der Froschflasche im Gelben Sack wieder eine Froschflasche wird.
REINHARD SCHNEIDER: Die Ablenkungsfalle. Die versteckten Tricks der Ökologie-Bremser. Oekom 2023 – 304 Seiten, 25 Euro
Dieser Beitrag ist im Juni 2023 in unserem Magazin taz FUTURZWEI N°25 erschienen.