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Nachhaltiger ReisanbauTraditionell, chemiefrei, erfolgreich

Auf den Philippinen schaffen es Bauern dank Partnerschaft mit Wissenschaftlern, ihre Familien zu ernähern. Die Agrarindustrie bleibt außen vor.

Schlechte Zeiten für die Agrarindustrie. Philippinische Bauern widersetzen sich ihrem Diktat. Bild: dapd

BERLIN taz | Dass Menschen in Entwicklungsländern auch ohne die Agrarindustrie satt werden können, zeigt die Initiative Masipag auf den Philippinen. Mit diesem Netzwerk, dessen Namen ausgeschrieben und übersetzt „Partnerschaft zwischen Bauern und Wissenschaftlern zur Entwicklung der Landwirtschaft“ heißt, haben sich zehntausende Landwirte ohne Saatgut und Chemikalien der Konzerne vom Hunger befreit.

Die Masipag-Gründer suchten Mitte der 80er Jahre einen Ausweg aus der Sackgasse, in die ihrer Meinung nach die Grüne Revolution mit ihren Hochleistungspflanzen, Pestiziden und Kunstdüngern vor allem für Entwicklungsländer führt. Auf den Philippinen sitzt einer der Hauptverfechter dieser Strategie: das Internationale Reisforschungsinstitut der Ford- und Rockefeller-Stiftungen. „Die Hochertragssorten des Internationalen Reisforschungsinstituts verlangten immer mehr Chemikalien, deren Kosten ebenfalls stiegen“, erinnert sich die ehemalige Masipag-Koordinatorin Elizabeth Cruzada.

Die Böden seien unfruchtbar geworden, immer häufiger hätten Krankheiten die besonders anfälligen Hybridpflanzen befallen. Die Folge war nach Ansicht Cruzadas, dass die Bauern immer tiefer in Armut und Schulden abglitten. Parallel dazu drohten die herkömmlichen Sorten und das Wissen, wie man ohne Chemie wirtschaften kann, verloren zu gehen.

Masipag dagegen hat nach eigenen Angaben mehr als 1.100 alte Reissorten gesammelt. Aus ihnen haben die Organisation und ihre Bauern über 1.600 Linien gezüchtet, die sich besonders für den Boden und das Klima an den Standorten der etwa 36.000 Mitgliedsbauernhöfe eignen. Seit 1998 bewahrt und züchtet das Netzwerk auch Maissorten.

Unabhängig von Montesanto

Anders als Agrarkonzerne wird die Organisation nach wie vor von Bauern getragen und gesteuert. So sind sie unabhängig von den Preisen, die etwa Monsanto für seine Reissorten festsetzt. Oft treiben Preissteigerungen so kleine Höfe wie die Masipag-Mitglieder in den Ruin – sie haben im Schnitt weniger als einen Hektar Land.

Zudem schult Masipag Kleinbauern in ökologischen Anbaumethoden. Etwa darin, wie sich aus Abfall organischer Dünger gewinnen lässt, Schädlinge ohne Pestizide bekämpft und Monokulturen zu vielfältigen Feldern werden können. Weil sie mehrere Pflanzensorten anbauen, sind sie auch besser gegen Ernteausfälle infolge von Krankheiten oder schlechtem Wetter geschützt.

Unter dem Strich scheint sich das für die Bauern zu lohnen, wie eine von Masipag mithilfe der deutschen Entwicklungsorganisation Misereor 2009 veröffentlichte Studie belegen soll. 88 Prozent der befragten Biolandwirte gaben demnach an, dass sich ihre Ertragslage deutlich stabilisiert hat. Das treffe nur auf 39 Prozent der konventionellen Bauern unter den 840 befragten Landwirten zu. Insgesamt würden die Ökobauern je nach Region genauso hohe oder sogar höhere Erträge erwirtschaften als konventionelle. Und das bei niedrigeren Kosten: Die Biohöfe hätten im Schnitt nur halb so viel investieren müssen.

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7 Kommentare

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  • KR
    Kevin R.

    So weit hergeholt ist die Idee von der Selbstversorgung in den alten Industrienationen nicht. In Detroit ist das schon Realität.

    http://bewegung.taz.de/organisationen/zeo2/blogeintrag/die-neuerfindung-der-autostadt

     

    Nicht dass ich das euphorisch oder gar zynisch als die Zukunft unserer Städte ausmalen möchte. Ich fand Gartenarbeit immer schrecklich. Aber besser als Ekelfraß auf Lebensmittelmarken ist das natürlich allemal und da ich mit dem Verzicht auf Auto, Flugzeug und Eifon bisher keine Probleme habe, komme ich wohl auch mit einem Lebensabend zwischen Kartoffeln und Karotten klar.

     

    PS: Auf den Philippinen kaufen ausländische Investoren die Äcker auf und machen daraus Plantagen. Die Regierung fördert das mit allen Mitteln.

    http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/10/12/a0044.text

  • P
    Pilip

    Leider ist das hier beschriebene Vorgehen nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

    Die Philippinen werden von Gen-Firmen geradezu als Versuchsfeld benützt, wie Prof. Rovilla aus Manila vor ein paar Jahren in Vorträgen erläutert hat.

    Die Philippinen importieren in großem Ausmaß Reis, vor allem aus Vietnam. Schuld ist die extrem konservativ-wirtschaftsfreundliche Politik sowohl der letzten (nicht rechtmäßigen) Regierung von Gloria Arroyo wie auch des jetzigen Präsidenten Aquino.

  • HJ
    Hu Junzi

    @ Skeptiker: wen die Alternative es ermöglicht sich vom Weltmarkt abzukoppeln und eine lokale Basis für Ernährung und Wirtschaft zu schaffen, dann ja. Deutschland, als Industrienation mit im Forum postenden Städtern, ist vielleicht ein eher ungünstiges Beispiel. Obwohl... wir ziehen Obst und Gemüse im Schrebergarten, kellern, kochen und wecken die Ernten ein. Sparen so Geld, haben "kontrolliert" ökologische Produkte, verbrigen unsere Freizeit sinnvoll, bleiben auch im Alter fit und konsumieren nicht spanische Erdbeeren mitten im Winter. Und das tollste ist, der Schwarzmarkt lebt! Für ein großes Glas Johannisbeergelee hat mir doch der nette Nachbar von Gegenüber eine stufenlos regelbare Deckenlampe samt Tastschalter installiert.

     

    Was nun die Philippionios angeht, die in einer noch immer rural geprägten Gesellschaft leben, und soweit ich verstanden habe, befassen wir uns mit den örtlichen Bauern und deren Probleme durch Abhänigkeit gegenüber Saat- und Düngemittelherstellern. Dem auszuweichen, weniger international geforderte, aber schlecht bezahlte Argraprodukte anzubauen, zugunsten der nationalen Selbstversorgung an Grundnahrungsmittlen wäre wie schon erwähnt, sinnvoll.

    Übrigends, die knappe Hälfte der Philippinos lebt als Bauern auf dem Land. Sie produzieren bei weitem genug, nur wohl leider nicht das was sie brauchen... über Hunger in der dritten Welt, Armut auf dem Land und den Zusammenbruch lokaler Märkte kann man sich an anderer Stelle informieren.

  • S
    Skeptiker

    Subsistenzwirtschaft ist ja schön und gut.

     

    So werden aber die Anforderungen an die Nahrungsmittelbereitstellung in den betroffenen Ländern nicht gelöst. Sollen dort alle Bauern werden?

     

    Oder möchte jemand der Foristen hier in Deutschland ernsthaft den ganzen Tag auf dem Acker stehen um sich selbst und sein Familie zu ernähren.

  • HJ
    Hu Junzi

    Da kann man den Philippinos nur Glück wünschen, und hoffen dass dieses Beispiel überall in der 3. Welt Schule macht, denn auch wenn sich Reichtümer nicht verdienen lassen, so ernährt die Subsistenzwirtschaft doch zumindest ihren "Mann" (der auch so kaum an dem durch Kopra, Zuckerrohr u.ä. generieren Reichtum pratizipiert)

    Bliebe als nächster Schritt die Agrasubventionen in den Industrieländern runter zufahren, wäre sogar arbeitsteilig sinnvoll... achja, der liebe Sinn.

    Bis dahin.

  • S
    spiritofbee

    Möchte an dieser Stelle noch ein weiteres ( von vielen! )Projekt aufzeigen, jenseits von großangelegter Agrochemie und ihren gewünschten Abhängigkeiten gerade in "ärmeren" Ländern.

     

    leider nur auf englisch:

     

    http://www.worldagroforestry.org/evergreen_agriculture

     

    Hier wurden z.Bsp. Ertragssteigerungen von 250-280% mittels einfacher natürlicher Methoden erreicht.

  • K
    klauru

    So, und das hätte man jetzt sehr schön mit diesem taz-Artikel verknüpfen können: http://taz.de/Allianz-fuer-Ernaehrungssicherheit/!103616/ und umgekehrt. Wo ist da eigentlich die "Grüne" Partei, die sich doch schon so auf dem Wahlkampfpfad wähnt und den Herrn Niebel mit Anfragen und Öffentlichkeit ins Schwitzen bringt?