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■ Nachgefragt"DGB wird's schon richten"

Verkehrte Welt: Erst hat die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) auf zahm gemacht — jetzt hat sie die Tarifverhandlungen mit den Bremer Arbeitgebern im Einzelhandel geschmissen. Dagegen die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV): Erst urabgestimmt über Streik und jetzt doch brav den Tarifvertrag unterschrieben mit 3,3 Prozent Lohnerhöhung und ohne Regelung für oder gegen Karenztage. Wir baten den DAG-Sekretär Eberhard Buschbom-Helmke um Aufklärung.

Bleiben am Montag die Läden zu?

Eberhard Buschbom-Helmke:Das ist vielleicht ein bißchen zu viel gesagt — ab Montag läuft die Urabstimmung im Tarifgebiet Bremen. Erst in der kommenden Woche würde es einen Arbeitskampf geben.

Für höherer Löhne oder gegen die Einführung von Karenztagen?

Es geht um die Karenztage. Da aber die Arbeitgeber nur über ein Gesamtpaket reden wollten, geht es nun doch um alles.

Die Arbeitgeber sollen also in aller Öffentlichkeit sagen, daß sie Karenztage nicht für sinnvoll halten.

Genau, bislang ist es bei hehren Worten geblieben, aber sie sollen das für alle sichtbar im Tarifvertrag unterschreiben.

HBV und DAG vertreten gemeinsam die 35.000 Beschäftigten im Einzelhandel, sind aber völlig zerstritten. Das versteht keiner.

Daß die HBV jetzt in Bremen nicht gegen Karenztage streiken will, kann damit zusammenhängen, daß man auf das Gewicht baut, das man irgendwann mit dem DGB, der IG Metall und der IG Chemie haben könnte in der Frage von Karenztagen.

Sie meinen, die HBV sagt „Wir legen uns jetzt nicht groß an, der DGB wird's schon richten?"

Ja, das behaupte ich so.

Dabei geht es Ihrer Meinung nach jetzt schon um's Ganze ...

Es geht jetzt, wo das Gesetz in der Mache ist, darum, der Öffentlichkeit klarzumachen, daß Karenztage der falsche Weg sind.

Angenommen, die Arbeitgeber unterschreiben gegen den Karenztag — das ist doch in dem Moment hinfällig, in dem der Bundestag für Karenztage stimmt.

Nein. Nach unserer Rechtsauffassung können Tarifverträge rückwirkend von einem Gesetz nicht mehr außer Kraft gesetzt werden. Schleswig-Holstein würde also nicht mehr gekippt werden können — die haben in den Tarifvertrag eine Gehaltsfortzahlung bis zur Dauer von sechs Wochen hineingeschrieben.

Sie streben für Bremen die Schleswig-Holsteiner Lösung an, wollen das notfalls mit Streiks durchsetzen — wieviel der 35.000 Beschäftigten sind denn bei Ihnen Mitglied?

Bei uns sind 3.000 Mitglied.

3.000? Aber damit kann man doch keinen Streik machen?

Nein, aber es gibt ja noch die vielleicht 6.000 Mitglieder der HBV. Wir werden auch die HBV-Mitglieder fragen, ob sie mit dieser unverbindlichen Lösung zufrieden sind, und daß sie natürlich die Chance haben, in einer zweiten Urabstimmung zu sagen, das reicht uns nicht. Wir werden alle Beschäftigten im Einzelhandel fragen.

Aber lahmlegen kann man doch damit den Einzelhandel nicht.

Es würden ja einzelne Häuser zugemacht.

Wo haben Sie denn Mehrheiten, wo könnte dichtgemacht werden?

Zum Beispiel Karstadt Bremerhaven oder Famila oder ähnliche Verbrauchermärkte. Fragen:Christine Holch

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