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■ Nachgefragt„Bürgermeister-Frust“

taz: Henning Scherf hat sich am Wochenende beklagt, er fände keine wirtschaftspolitischen Berater mehr, die ihm angesichts der Bremer Finanzlage nicht nur zum Suizid raten. Nehmen Sie diese Kritik persönlich?

Rudolf Hickel: Ich nehme diese Bemerkung sehr persönlich, weil sich darin auch ein Frust des Bürgermeisters ausdrückt. Auf der einen Seite weiß er, daß er aus dem Haus des Finanzsenators mit Hinweisen bombardiert wird, daß das Sanierungsprogramm realisierbar ist; auf der anderen Seite verspürt er aber völlig zu recht große Zweifel daran.

Sie haben ja vor einigen Wochen selber öffentlich die Position vertreten, daß das Land Bremen mit den neun Sanierungsmilliarden bis 1998 nicht zu sanieren ist.

Man muß das Sanierungsprogramm fahren. Aber man muß auch sehr früh schon der Bundesregierung in Bonn klarmachen, daß die Teilentschuldung nicht so groß ausfallen wird. Und das nicht, weil sich die Hansestadt mal wieder als verschwenderisch erweisen sollte, sondern weil einfach die gegebenen Bedingungen mit der schlechten Steuerentwicklung keine andere Alternative zulassen.

Und diese schlechte Nachricht hätten Scherf und Nölle schon im August bei ihrem Besuch in Bonn dem Kanzler mitteilen sollen?

Ich glaube, daß die beiden da sowieso schon in diese Richtung argumentiert haben, daß aber in der Bremer Öffentlichkeit diese Botschaft noch nicht richtig angekommen ist. Dafür gibt es auch einen Grund: Diejenigen, die zur Zeit die Kürzungsorgien im öffentlichen Haushalt konzipieren, wollen den Eindruck aufrechterhalten, man könne mit einer solchen knallharten Sparpolitik das Land noch retten. Sowohl Nölle als auch Scherf sind Opfer dieser Strategie geworden.

Nehmen wir mal an, Sie wären der wirtschaftspolitische Berater von Henning Scherf. Was würden Sie ihm zu seinem Vorschlag raten, im Öffentlichen Dienst die Arbeitszeit und den Lohn pauschal um neun Prozent zu kürzen?

Ich gebe sehr gerne nicht als Berater, aber als Freund und Diskutant Henning Scherf einige Tips. Leider muß ich sagen, daß dieser Vorschlag nicht richtig durchdacht worden ist. Man sollte ihn aber trotzdem nehmen, um darüber ausgiebig mit allen Betroffenen zu diskutieren.

Was wäre die Alternative dazu?

Wir brauchen erstmal eine grundlegende Reform des öffentlichen Sektors, um dann zu sehen, was an Stellen noch erforderlich ist.

Aber wir sind doch nicht am Anfang des Sanierungsprogramms, sondern mittendrin. Ist es für diese Analyse nicht langsam zu spät?

Ich wende mich nur gegen eine globale Stellenstreichungspolitik, bei zum Schluß zum Beispiel wichtige Sozialstaat-Funktionen, die wir dringend brauchen, einfach gestrichen werden.

Bedeutet der scherfsche Stoßseufzer nicht, daß jetzt selbst die klügste Wirtschaftspolitik dem Land Bremen nicht mehr helfen kann?

Das steckt dahinter. Scherf bringt zu Recht zum Ausdruck, daß wirtschaftspolitische Handlungsmöglichkeiten von den Kommunen des Stadtstaats, aber auch von anderen Großstädten praktisch nicht mehr vorhanden sind. Da geht es Bremen nicht anders als Hannover, Düsseldorf oder München. Aus eigener Kraft können diese Städte sich aus dieser Lage nicht befreien.

Fragen: Dirk Asendorpf

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