■ Nachgefragt: Striktes Beamtenrecht
Der Landesrechnungshof hat die Praxis der Frühpensionierungen im Lande Bremen gerügt (siehe taz 15.12). Die Dienstunfähigkeit bei Beamten wird aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens vom Dienstvorgesetzten festgestellt. Einige Pensionäre studierten – trotz Dienstunfähigkeit – Jura oder Kunst. Wie das angehen kann, wollten wir von Dr. Thomas Hilbert wissen. Er ist Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes für Erwachsene beim Gesundheitsamt Bremen.
Wenn sich ein Beamter frühpensionieren lassen will, braucht er ein amtsärztliches Gutachten. Wie kriegt er das?
Dr. Hilbert: Der Beamte muß bei der Dienststelle den Antrag stellen, in vorzeitigen Ruhestand zu treten. Die Dienststelle wird dann in aller Regel ein amtsärzliches Gutachen anfordern. Er kann also nicht von sich aus kommen und sagen, ich will ein Gutachten, ich bin krank.
Der Landesrechnungshof hat Fälle von Beamten kritisiert, die trotz ihrer Dienstunfähigkeit in der Lage waren zu studieren. So zum Beispiel eine Verwaltungsbeamtin die als Frühpensionärin Jura studierte und als Referendarin arbeitete. Wie kommt es zu solchen Fällen?
Das ist ein schwieriges Feld. Zunächst einmal muß man unterscheiden. „Dienstunfähigkeit“ ist ein Begriff im Beamtenrecht.
Das heißt doch aber nichts anderes, als daß jemand krank und nicht arbeitsfähig ist?
Nein, das heißt es eben nicht. „Dienstunfähig“ heißt nur, daß er in einem gewissen Umfeld offensichtlich Probleme hat. Das heißt nicht, daß er arbeitsunfähig ist. Wir sagen daher nur, daß jemand mit Einschränkungen für gewisse Tätigkeiten nicht in Betracht kommt. Es kann beispielsweise zu Belastungssituationen am Arbeitsplatz kommen, die zu seelischen Problemen führen, so daß jemand in diesem Arbeitsumfeld dienstunfähig ist. Das Beamtenrecht ist sehr strikt. Entweder jemand ist Lehrer oder er ist keiner. Es gibt nicht genügend Möglichkeiten Beamte irgendwo anders unterzubringen. Und so wird das Ganze – und das ergibt sich aus dem Beamtenrecht – auf eine gesundheitliche Frage zugespitzt, die oft keine ist.
Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft haben auch mit belastenden Situationen zu kämpfen. Während ihnen aber nur die Kündigung bleibt, können Beamte diesen Situationen mit einer Frühpensionierung aus dem Weg gehen?
So ist es, und zwar weil der Dienstherr, der öffentliche Arbeitgeber, diesen Weg wählt. Das ist ein systematisches Problem des Beamtenrechts in ganz Deutschland. Es gibt eine gemeinsame Initiative zwischen der Senatskommission für das Personalwesen (SKP) dem Bildungssenator und dem Gesundheitsamt, die prüft, ob es nicht andere Einsatzfelder für Beamte gibt, die ansonsten frühpensioniert würden. kes
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