Nachgefragt: Aller Opfer gedenken
■ Ewald Hanstein, Bremer Landesvor-sitzender der deutschen Sinti und Roma
Am Samstag fand zum ersten Mal der bundesweite „Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus“ statt – doch eine eigene Gedenkveranstaltung gab es in Bremen nicht. Zu frisch ist die Entscheidung des Bundespräsidenten, den Tag auf den 27. Januar, den Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, festzulegen. Noch ist unklar, wie dieser Tag in Zukunft begangen werden soll. Wir sprachen mit Ewald Hanstein, Bremer Landesvorsitzender der deutschen Sinti und Roma.
taz: Was haben Sie am Samstag getan?
Ewald Hanstein: Ich war am Samstag im ehemaligen KZ-Lager „dora Mittelbau“ in Nordhausen gewesen. Dort sind die VI und die VII produziert produziert worden. In diesem Lager bin ich selbst vom August 1944 bis zum April 1945 gewesen.
Da sind Sie befreit worden?
Nein, am 4. April ist Nordhausen bombardiert worden. Und dann sind wir auf den sogenannten Todesmarsch geschickt worden.
Am Samstag war ich da, mit noch zwei anderen Häftlingen aus den Niederlanden. Dort ist ein Güterwaggon als Erinnerung aufgestellt worden. Einer, mit dem früher die Häftlinge ins KZ transportiert worden sind.
Wie sollte dieser 27. Januar in Zukunft begangen werden?
Für viele ist es ja ein anderer Tag. Der 27. januar war der Tag der Befreiung von Auschwitz. Wenn ich von meiner Seite ausgehe: Zu der Zeit war ich noch nicht befreit. Da war ich immer noch im KZ. Aber ich will sagen: Wenn man am 27. Januar der Opfer gedenkt, dann sollte man aller Opfer gedenken. Der Juden und der Sinti und Roma, die am meisten betroffen waren, aber auch der vielen politischen Häftlinge, die gegen den Faschismus gekämpft haben. Und da sollten sich alle dran beteiligen.
Sehen Sie denn eine Gefahr, daß die vergessenen Opfer, auch die Sinti und Roma, an den Gedenktagen nun wieder vergessen werden?
Nein. und man sollte auch keine Unterschiede machen. Die in den KZs saßen sind für mich alle gleich, sie haben alle gelitten. Wenn ich gedenke, dann gedenke ich aller, die dort umgekommen sind. Alle sind gefoltert worden. Und wir gehen auch raus und sagen, daß man den 27. Januar dazu nutzen sollte.
Fragen: J.G.
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