Nachgefragt: In der Zwickmühle
■ Betriebsrat Hans-D. Richter, BWK
taz: Bei der Bremer Wollkämmerei sollen bis zum April 110 Mitarbeiter entlassen werden – für die anstehenden Tarifverhandlungen bietet der Vorstand allerdings eine Erhöhung der Bezüge um 4,6 Prozent an. Wie kommt das?
Hans-Dieter Richter, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender: Wir haben vor zwei Jahren auf der Lohnbasis von 1993 einen Haustarifvertrag abgeschlossen. Das heißt, wir haben zur Zeit die Löhne von 1993. Jetzt hat der Arbeitgeber vorgeschlagen, die Löhne für die letzten zwei Jahre plus das Jahr dieses neuen Vertrages um insgesamt 4,6 Prozent zu erhöhen.
Wäre es nicht möglich, auf die Lohnerhöhung zu verzichten und stattdessen Arbeitsplätze zu erhalten?
Der Vorstand hat das Angebot gemacht, weil er verstehen kann, daß die Arbeitnehmer mehr Geld haben wollen – und zwar auch angesichts dieser schwierigen Lage.
Ja, aber was halten Sie als Betriebsrates davon?
Wir sind damit vom Vorstand überrascht worden. Der Betriebsrat setzt sich Anfang dieser Woche zusammen und wird eingehend beraten, wie wir aus dieser Zwickmühle herauskommen. Dazu müssen wir vielleicht eine Befragung der Belegschaft machen. Diese Entscheidung ist im Betriebsrat noch nicht gefallen. Ich kann Ihnen nur sagen, oberste Priorität ist, daß die BWK am Standort Bremen Blumenthal erhalten bleibt. Zweite Priorität ist, soviel Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten.
Damit haben Sie aber noch nicht verraten, was Sie wollen?
Wir stehen als Betriebsrat in der Mitte – zwischen Geschäftsleitung und Belegschaft. Wenn ich jetzt sage, meine persönliche Meinung wäre, auf Gehalt zu verzichten, um Arbeitsplätze zu retten, dann steht das morgen in der Presse. Dann kommt die Belegschaft und sagt, wie kommst Du eigentlich dazu. Deshalb bin ich mit diesen Äußerungen sehr sehr vorsichtig..
Was sagt denn die Belegschaft?
Die einen sagen, ich kann es mit meinem Gewissen vereinbaren, 110 Leute rauszuschmeißen – ich will mehr Lohn haben. Die anderen sagen, um Arbeitsplätze zu retten, bin ich bereit, auf Lohnerhöhung zu verzichten..
Sie sagten eingangs, Sie seien überrascht worden. Wann haben Sie von den Entlassungen erfahren?
Donnerstag um 10 Uhr.
Vorher gab es keine Anzeichen ?
Gerüchte gibt es überall. Wir haben uns 1995 regelmäßig in den Wirtschaftsausschußsitzungen zusammengesetzt und über die Produktion gesprochen. Am Jahresende kamen wir zur Überzeugung, daß wir den Weg der Kurzarbeit gehen müssen, um nicht alle Arbeitsplätze aufs Spiel zu setzen.
Deshalb schlägt der Vorstand jetzt eine Reihe von Maßnahmen vor – darunter eine Gesundheitsprämie. Was halten Sie davon?
Davon halte ich überhaupt nichts. Das führt nur dazu, daß die Leute, angesichts der Einkommenssituation – wir haben ja nicht gerade die goldigsten Tarife – ihre Krankheiten verschleppen. Und zwar nur, um 200 Mark zu kassieren.
Haben Sie bei der BWK einen so hohen Krankenstand, daß dies eine Maßnahme wäre, wieder schwarze Zahlen zu schreiben.
Nein. Ich glaube, es ist wichtiger Sachkosten zu sparen. Das fängt mit der Vermietung von Hallen an. Wir müssen versuchen, von außen Geld reinzubekommen. Das bringt mehr als eine Gesundheitsprämie von 200 Mark. Fragen: kes
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