piwik no script img

NachgefragtMüllgebühren Pi mal Daumen

■ Gespräch mit Gebührenkritiker H. Streu

Während die nächste Erhöhung der Müllgebühren im Senat bereits beschlossene Sache ist, berät das Oberverwaltungsgericht immer noch über die Klage gegen die alten Gebühren. Hintergrund der Vertagung: Die BEB waren nicht in der Lage, zu der gesetzten Frist (31.3.) die vom Gericht geforderten Angaben zu machen. Wir sprachen mit Henning Streu, dem Kläger und dem langjährigen Abfallreferenten (1969-1989) der Stadt Bremen.

taz: Sie glauben, daß Sie vor Gericht Erfolg haben?

Henning Streu: Den Eindruck habe ich deswegen, weil beim Oberverwaltungsgericht Münster bereits eine vergleichbare Entscheidung gefallen ist. Es wäre für das OVG Bremen schwierig,anders zu enscheiden.

Es geht um ein rechtlich kompliziertes Problem. Würde ein Erfolg Ihrer Klage bedeuten, daß die Müllgebühren im Endeffekt gesenkt werden müssen?

Ja. Von mir sind mehrere unterschiedliche Kriterien angefochten worden, die hätten beachtet werden müssen. Jedes einzelne dieser Kriterien müßte ausreichen, um die Gebühr aus den Angeln zu heben.

Zum Beispiel?

Die Subventionen an die MBA Bremerhaven. Da sind jährlich aus dem Haushalt der Stadt und dann der BEB zwischen 2 und 3 Milionen gezahlt worden, angeblich dafür, daß Bremen nach Schließung der Müllverbrennungsanlage die Gelegenheit haben sollte, den Bremer Müll nach Bremerhaven zu fahren. Diese „Option“ habe ich angegriffen. Das Konzept der Schließung der MVA ist ja längst aufgegeben worden, und diese Optionen sind an umliegende Landkreise verkauft worden. Gebühren sind leistungsbezogen und dürfen keine Steueranteile enthalten. Hier sind Gebühren berechnet worden nach Zahlungen, die gar nicht gebührenfähig sind.

Eine schöne Geschichte, aber es geht unterm Strich um vergleichsweise wenig Geld.

Die Stammkapitalverzinsung ist zu hoch angesetzt, daraus ergibt sich ein rechnerisches Defizit für die BEB.

Die geplanten Gebührenerhöhungen zum 1. Juli sollen 37 Millionen in zwei Jahren bringen. 37 Millionen zahlen die BEB jährlich als Stammkapitalzinsen. Würde Ihre Klage gegen die Stammkapitalverzinsung die Gebührenerhöhung überflüssig machen?

Wieviel das ausmachen würde, weiß keiner.

Die BEB haben es nicht geschafft, zwischen dem Jahreswechsel und dem 31. März die vom Gericht gestellten Fragen nach den Kalkulationsgrundlagen der Gebühren zu beantworten. Was bedeutet das?

Daß die Fragen, die das Gericht gestellt hat, der BEB und dem Finanzsenator neu sind. Die haben diese Kriterien nicht eingestellt in ihre Gebührenbedarfsberechnung. Salopp gesagt: Die haben „Pi mal Daumen“ Zahlen genommen und daraus riesige Defizite abgeleitet, die jetzt die Gebührenerhöhung rechtfertigen sollen. Und das können sie dem Gericht nicht auftischen. Die Nachfragen des Gerichts zeigen, daß das OVG sowohl die Stammkapitalverzinsung wie den Options-Vertrag mit Bremerhaven als einen entscheidungsrelevanten Punkt ansieht.

Haben wir eine Chance, daß Ihr Verfahren vor dem 1. Juli Erfolg hat?

Das weiß ich nicht. Ich bin kein Gott. Da müssen Sie beim Gericht nachfragen.

Danke für die Auskunft, Herr Streu. Sie waren früher ...

.. Abfallrechtsreferent des Bremer Senats für die Kommune von 1964, da habe ich Müllgesetze gemacht, alle Verordnungen, die mit Müll zu tun haben. Seit 1971 war ich außerdem Abfallrechtsreferent des Landes Bremen, also an der Entwicklung der Bundesgesetze beteiligt. Bis 1989, da wurde ich von Dr. Lüthge rausgeschmissen, also von der Funktion entbunden...

Warum?

Weil ich gegen diese vielen privaten Recycling-Initiativen war, die am Bundesrecht vorbei hier in Bremen aus Gründen des politischen Showgeschäftes subventioniert wurden. Dabei ist doch nichts rausgekommen. Zum Beispiel diese Alu-Recyclinginitiative, die im Jahr 1,4 Tonnen Alu einsammelt mit einem Aufwand von mehreren Millionen Mark. Int.: K.W.

Int.: K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen