Nachgefragt: „Prostituierte führen ein schweres Leben“
■ Grüne Abgeordnete informierte sich auf dem Bremerhavener Strich
Aus erster Hand hat sich die Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen, Gerhild Engels, in der Nacht zum Samstag über die Prostitution in Bremerhaven informiert. Zusammen mit einem Mitarbeiter des Gesundheitsamtes sprach sie mit Prostituierten in Bordellen und auf dem Drogenstrich.
taz: Wie haben die Prostituierten darauf reagiert, daß sie eine Bürgerschaftsabgeordnete bei der Arbeit besucht?
Gerhild Engels: Die waren total nett. Die haben mir extra einen Sessel ins Zimmer reingestellt. Das war ganz klein, aus dem Kino hatte ich mir das immer viel größer vorgestellt. Da war nur ein schmales Bett und eine Dusche, keine Fenster. Die eine Frau saß auf dem Bett und sagte zu meinem Begleiter vom Gesundheitsamt: Setz' Dich doch hier mit her. Aber der sagte: Nein, nein, bei Euch hab ich immer das Gefühl, da läuft 'ne Kamera. Es war alles ganz locker.
Als es dann um die Anerkennung der Prostitution als Beruf ging, haben sie gesagt: Die wollen ja nur an unser Geld ran, daß wir Steuern zahlen müssen.
Haben Sie zu allen Bordellen problemlos Zutritt bekommen?
Ich denke, mein Begleiter vom Gesundheitsamt hat mich vorher angekündigt und auch geguckt, welche Frauen in der Lage sind, sich mit mir zu unterhalten. Und in einen Club durfte ich auch deswegen nicht gehen, weil es hieß, dort würde ich womöglich auf Parlaments-Kollegen treffen. Und das wäre denen dann furchtbar peinlich.
Mit welcher Haupterkenntnis sind Sie von Ihrem Ausflug auf den Strich zurückgekehrt?
Es ist wirklich ein sehr schweres Leben, das die Prostituierten führen. Und es ist sehr unterschiedlich. In den Bordellen machen die Frauen einen selbstbewußten Eindruck. Sie können auch noch selbst bestimmen, was sie zulassen und was nicht. Dagegen ist es auf dem Drogenstrich sehr viel härter. Die Frauen sind den Freiern völlig schutzlos ausgeliefert.
Was kann Politik tun, um das Leben auf dem Drogenstrich zu erleichtern?
Der Bremerhavener Kontaktladen, der im Haushalt für 1997 gestrichen wurde, muß als Anlaufstelle auf jeden Fall erhalten bleiben. Die Frauen können sich dort ihre Spritzen und Kondome abholen, sie finden eine Ansprechpartnerin, können auch mal ihre Wäsche waschen oder sich einfach etwas ausruhen.
Wird der Kontaktladen zur Zeit genutzt?
Vor einem Jahr ist der Kontaktladen umgezogen. Dann war er ein halbes Jahr dicht. Deshalb braucht man jetzt ganz viel Ausdauer und Geduld, um wieder ein Vertrauensverhältnis zu den Abhängigen zu finden. Deswegen wird der Kontaktladen im Moment nicht so sehr genutzt, wie es sein sollte. Und dann sehen sie dort jetzt auch noch ein Schild, daß der Laden Ende des Jahres wahrscheinlich wieder geschlossen wird. Die Stimmung ist: Das nehmen sie uns jetzt auch noch wieder weg. Diese Menschen sind ja bekanntlich nicht die größten Kämpfer.
Sie haben die Drogenprostituierten am Montag noch einmal zu einem Treffen eingeladen. Wieviele sind gekommen?
Nur eine. Aber einen besonders großen Erfolg habe ich auch nicht erwartet. Die Frauen sind zwar aufgeschlossen, aber ich kann ja nicht erwarten, daß, wenn ich dort das erste Mal auftauche, mir gleich alle entgegenstürmen und sagen: Prima, Du machst das jetzt.
Wie geht es politisch in dieser Frage weiter?
Es darf nicht bei diesem Beschluß bleiben. Die VertreterInnen von SPD und CDU müssen sich noch einmal zusammensetzen und ihren Beschluß verändern. Das erwarte ich.
Fragen: Dirk Asendorpf
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