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Nachgefragt„Endlich anfangen“

■ Vulkan-Ausschuß streitet um die Reihenfolge der Untersuchung

Gestern hat sich der Vulkan-Untersuchungsausschuß zum ersten Mal nach der Sommerpause zusammengesetzt, und schon gab es Streit. Jens Böhrnsen sitzt für die SPD im Ausschuß.

taz: Es gibt Streit um die Frage, womit die Untersuchung beginnen soll. Grüne und AfB wollen mit dem aktuellen Zusammenbruch anfangen, aber die große Koalition will zuerst lieber über die Historie reden. Warum?

Jens Böhrnsen: Der Streit geht wirklich nur um die Reihenfolge. Wir sind uns einig über die Themenkomplexe, die der Ausschuß abarbeiten muß. Wir halten es aber für unmöglich, mit der aktuellen Liquiditätskrise zu beginnen. Der Ausschuß hat für diesen Themenkomplex noch gar nicht die Akten und könnte deshalb in absehbarer Zeit noch gar nicht mit der Zeugenvernehmung beginnen. Wir wollen damit nun aber so schnell wie möglich aunfangen.

Steckt nicht auch ein bißchen das Kalkül dahinter, daß es für die Große Koalition ungünstig wäre, wenn die ersten Zeugen Ulrich Nölle und Henning Scherf heißen würden?

Diese Zeugen werden sicherlich vor den Untersuchungsausschuß geladen werden. Im Moment geht es lediglich darum, daß wir endlich anfangen. Und mit diesem Thema können wir nicht anfangen.

AfB und Grünen sagen, der Untersuchungsausschuß sei gerade deswegen eingerichtet worden, um Bremen möglichst schnell von dem Ruf zu befreien, beim Vulkan sei bis hin zur Wirtschaftskriminalität alles politisch gedeckt worden. Ist das nicht ein ernstzunehmendes Argument?

Ja, aber ich empfehle, einen Blick in den Auftrag zu werfen, den die Bürgerschaft dem Untersuchungsausschuß erteilt hat. Da wird eben gerade kein begrenzter Zeitraum genannt, sondern die Entwicklung des Vulkan-Verbundes mit den politischen Verantwortlichkeiten von Anfang an. Und das war nun mal vor über zehn Jahren nach der Schließung der AG Weser.

Der erste Zeuge wäre dann wahrscheinlich der damalige Wirtschaftssenator Werner Lenz – heute Abgeordneter der AfB. Das dürfte der Großen Koalition gefallen...

Es mag sein, daß Werner Lenz der erste Zeuge wird. Aber wir wissen, daß wir den Untersuchungsauftrag wirklich von Anfang bis Ende abarbeiten wollen. Wir sind an einer umfänglichen, sorgfältigen und seriösen Aufklärung interessiert. Die Reihenfolge mag dabei zwar für den einen oder anderen scheinbar einen politischen Vorteil bedeuten, wir sehen es aber so, daß wir zu jedem Konflikt in absehbarer Zeit kommen werden.

Als SPD-Mitglied im Untersuchungsausschuß sind Sie in einer besonders schwierigen Situation. Sie können tun, was Sie wollen, es wird immer falsch sein. Entweder verderben Sie es sich mit der eigenen Partei, wenn die Stellungnahmen zur SPD-Werftenpolitik der letzten zehn Jahre zu kritisch ausfallen, oder Sie verderben es sich mit der Öffentlichkeit, wenn die Aufarbeitung zu unkritisch ausfällt. Stehen Sie da nicht vor einer unlösbaren Aufgabe?

Nein, die SPD insgesamt hat ein Interesse daran, die Geschichte des Vulkan aufzuarbeiten. Wir stehen da in der Pflicht gegenüber den Beschäftigten beim Vulkan und bei den Zulieferbetrieben. Wir müssen zu einer rückhaltlosen Aufklärung von Verantwortung kommen.

Im Galla-Untersuchungsausschuß gab es einen Andreas Lojewski, der sehr engagiert für die Aufklärung gestritten hat. Und das Ergebnis war, daß er hinterher in seiner Partei, der SPD, keinen Fuß mehr an Deck bekommen hat.

Einen Vergleich mit Andreas Lojewski schließe ich für mich aus.

Sie wollen ihm nicht zur AfB folgen?

Ich kenne Andreas Lojewski sehr gut. Aber bei der AfB werde ich bestimmt nicht landen.

Fragen: Dirk Asendorpf

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