Nachgefragt: Kollektiv-Betteln
■ Beamten- Nullrunde – ÖTV-Experte wettert gegen Bremer Sonderweg
Das Bundesland Bremen will über den Bundestag eine sogenannte Öffnungsklausel für die Besoldung der Bremer BeamtInnen durchpauken. Dann wäre der Senat nicht mehr an bundeseinheitliche Regelungen bei Gehaltserhöhungen gebunden. Geplant ist eine Nullrunde in der Gehaltsanhebung für die nächsten neun Monate. Das soll extra so im „Bezügeanpassungsgesetz“, das der Bundestag Ende vergangener Woche beraten hat, verankert werden. Das Problem: Die Öffnungsklausel wurde zunächst auf Eis gelegt. Die taz sprach über dieses lohntaktische Manöver und seine Auswirkungen auf die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft ÖTV und dem Senat für die Angestellten mit dem ÖTV-Experten Hans-Joachim Reimann:
taz: Herr Reimann, was würde passieren, wenn die Öffnungsklausel vom Bundestag gebilligt würde?
Hans-Joachim Reimann, ÖTV-Experte: Bremen müßte sich an keine Bundesregelung mehr halten und wäre damit völlig frei in der Besoldung. Zugleich hätte man den Beamten nicht eine einzige beschäftigungssichernde Maßnahme zugebilligt. Damit könnte völlig einseitig die Besoldungsanpassung ausgesetzt werden.
Verabschiedet sich Bremen damit als erstes Bundesland von den bundeseinheitlichen „Tarifen“ für Beamte?
Das ist im Prinzip richtig. Nur waren die Gehaltsverhandlungen eigentlich immer nur kollektives Betteln, da es nicht mit Tarifverhandlungen wie in der Industrie zu vergleichen ist.
Wäre den Bremer BeamtInnen denn noch eine weitere Nullrunde zuzumuten?
Mit Sicherheit nicht. Wir sind der Meinung, daß es wesentlich sinnvoller wäre, die Motivation der Beschäftigten zu fördern. Im Augenblick gibt es noch Verhandlungen über das Verwaltungsreformabkommen. Darin sollen über weitere Modernisierung weitere Effizienzsteigerungen durchgesetzt werden. Das ist wesentlich sinnvoller, als den Beamten verdiente Gehaltsforderungen vorzuenthalten.
Werden diese Effizienzmaßnahmen nicht konterkarriert durch solche Nullnummern?
Mit Sicherheit – die Motivation wird natürlich nicht gesteigert. Schon gar nicht, wenn in anderen Bundesländern andere Regelungen – besonders bei der Arbeitszeit – bestehen. Dann wandern die Leute ab. Zum Beispiel nach Niedersachsen.
Wirkt sich das auch innerhalb Bremens aus, wenn etwa Beamte und Angestellte unterschiedliche Gehaltssteigerungen erhalten? Geht so der soziale Frieden im öffentlichen Dienst verloren?
Das kann nur zu erheblichen Spannungen führen. Man kann sich sehr gut vorstellen, daß solche Regelungen nicht gerade zur Verbesserung des Betriebsklimas beitragen.
Fragen: Jens Tittmann
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