Nachgefragt: Wie die SPD mitredet beim Gewoba-Verkauf
■ Parteibasis irritiert über Senatsbeschluß
taz: Parteitagsdelegierte haben vor wenigen Wochen einen Sonderparteitag durchgesetzt, der beschlossen hat, daß die SPD dem Verkauf von Anteilen an kommunalen Wohnungsbauunternehmen nur nach einem klaren Votum der SPD-Delegierten zustimmen soll.
Michael Engelmann, Ortsvereinsvorstand Gröpelingen: Das ist richtig.
Sie gehen davon aus, daß ein Parteitag stattfindet, bevor irgend etwas entschieden wird?
Im Moment bin ich irritiert. Es gibt diese Verabredung in der SPD, der nächste reguläre Parteitag ist aber erst für Ende Juni angesetzt. Wenn ich höre, daß die Fraktion am Dienstag schon beschließen sollte und daß die Fraktionsspitze das Thema für Donnerstag wieder auf die Tagesordnung setzen will, dann paßt das nicht zusammen. Selbst die Juni-Bürgerschaftssitzung ist vor dem nächsten SPD-Parteitagstermin.
Hat nicht Henning Scherf den Parteidelegierten versprochen, daß er die Beratungen mit den Delegierten sehr ernst nimmt und den Parteitagsbeschluß vor einer Entscheidung des Senats auch will?
Das hat er versprochen.
Gibt es irgendeine Form für die SPD, den Bürgermeister daran zu erinnern, was er vor sechs Wochen den SPD-Delegierten erzählt hat?
Ich bin entsetzt über das, was der Senat jetzt der Bürgerschaft zur Beschlußfassung vorgelegt hat. Das widerspricht auch den SPD-Beschlüssen vom Oktober 1996 zu der Frage. Wir überlegen noch, ob wir wieder einen Sonderparteitag fordern.
Kann es sei, daß der SPD-Landesvorsitzende noch eine Rolle spielt?
Ich will hoffen, daß Detlef Albers als Landesvorsitzender das Thema so ernst nimmt, wie er es nach außen vorgegeben hat. Beim SPD-Fraktionsvorsitzenden bin ich mir da nicht so sicher.
Eigentlich müßte jetzt doch der Landesvorsitzende den Bürgermeister an sein Wort vor dem Parteitag erinnern?
Ich weiß nicht, was da an internen Gesprächen läuft.
Sie sind auch Mitglied der Initiative gegen den Verkauf der Gewoba. Was kann diese Bürgerinitiative noch tun?
Im Moment nur abwarten und moralischen Druck ausüben. Wir haben gestern 5.000 Unterschriften abgegeben, die werden jetzt geprüft, und dann hat der Senat zwei Monate Zeit, darüber nachzudenken, wie er sich gegenüber dem Volksbegehren verhalten will. In zwei Monaten ist die Sache längst gelaufen.
Was hat die Abgeordneten der SPD bewogen, den Verkauf der Gewoba-Anteile nicht schnell zu beschließen?
Vor allem die Kurzfristigkeit. Die Mitteilung des Senats war den Abgeordneten erst einen Tag vorher übergeben worden. Inhaltlich entspricht das nicht dem, was als SPD-Position beschlossen worden ist. SPD-Position ist, daß das Geld nicht zur Deckung von Haushaltslücken verwendet wird. SPD-Position ist, den Mietern ernsthaft ein akzeptables Vorkaufsrecht einzuräumen und nicht nur „gegebenenfalls“. Ein Sozialdemokrat, der die Beschlüsse des Parteitages ernst nimmt, kann den Senatsbeschluß nicht mittragen.
Int.: K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen