piwik no script img

NachgefragtApo mit Stimme

■ Viertel-Beiratssprecherin Susanne Paas hört auf – aber nicht aus Frust

Im Beirat Mitte sind die Grünen stärkste Fraktion. Die grüne Beiratssprecherin Mitte, Susanne Paas, hört jetzt auf – „umständehalber“. Oder aus Frust? Wir fragten nach.

taz: Ist Beiratsarbeit so frustrierend, daß man sich in persönliche Umstände flüchtet?

Susanne Paas: Eine Tochter entwickelt einfach so viel mehr Charme als jeder Beirat...

Gibt es denn Erfolge?

Also, ich fand von Anfang an, daß man möglichst nach Sach- und nur so selten wie möglich nach Parteigesichtspunkten handeln sollte: Wir arbeiten für den Stadtteil und nicht für die UNO! Die meisten Anträge kamen von den Grünen. Oft haben wir aber parteiübergreifende Initiativen und Beschlüsse hingekriegt.

Was ist denn so einvernehmlich gemacht worden?

In der letzten Sitzung ging es zum Beispiel um den drohenden Niedergang im Faulenquartier. Von der Lage her doch ein Sahnestück. Da waren sich alle Beiratsfraktionen einig, auch die Architekten, die Planer, Investoren, die Bevölkerung, Geschäftsleute: Wir brauchen eine Initiative gegen die Verödung. Das geht aber nur auf Kosten einer Autospur und des Parkhauses Diepenau mit Weserblick.

Und? Hat sich der Beirat gegen den Bau- und den Wirtschaftssenator durchgesetzt?

Das muß sich ganz bald zeigen. Ich fürchte sehr, daß beide nicht flexibel auf das so eindeutige Votum sämtlicher Interessensvertreter reagieren. Gut ist, daß der Bausenator von sich aus den Dialog mit den Beiräten gesucht hat. Aber man kann eben nicht die Innenstadt für Autofluten öffnen und gleichzeitig Geschäftsleute und KundInnen mit Flaniermeilen beglücken, ÖPNV und Radfahrer fördern und nebenbei „Erlebniseinkauf“organisieren wollen.

Ist denn wirklich mal was passiert, wie es der Beirat beschlossen hat, ohne daß die Behörden sowieso dafür waren?

Bei der Verkehrsberuhigung im Viertel gab es diese gefühlsmäßig begründete Rücknahme, gegen alle Einwände auch der Fachleute aus der Baubehörde und den Ämtern. Dann haben wir aber praktisch alle Punkte durchsetzen können, und der Bausenator hat noch mal richtig Geld in die Hand genommen und umgesetzt. Das hat geklappt und ist auch fair gelaufen.

Um die Drogenszene ist es ruhig geworden.

Seitdem die Drogenberatung im Tivoli-Hochhaus ist, sind die Anwohner enorm entlastet. Das Problem jetzt: Ziegenmarkt.

Gibt es ein Beispiel für eine eigenständige Idee des Beirats?

Ein ganz tolles Projekt ist der Sportgarten. Ortsamtsleiter Bücking hat es hingekriegt, zusammen mit Firmen, Behörden, Jugendlichen, PolitikerInnen, Lagerhaus etc. ein 'all-winners-game' daraus zu machen. Bürgermeister Scherf und Staatsrat Hoppensack haben neulich im Fahrrad-Turnier gegen die Viertel-Kids verloren und dafür 15 Tonnen Stahl springen lassen...

Klassische Stadtteil-Politik. Bei den übergreifenden Stadtplanungsthemen hat der Beirat weniger zu sagen?

Das wäre ein Mißverständnis, das bei Beiräten oft für Frust sorgt, aber bei mir nicht: Beiräte sind nicht diejenigen, die etwas entscheiden – manchmal ist das auch ein Glück. Klar, die stadtteilbezogenen Fragen entscheiden sie: Verkehrsschilder, Vergabe von kleinen Geldmitteln, Bauanträge oder Konzessionen beraten, Stühle für Straßencafés draußen, Bebauungspläne. Was ich wichtiger und interessanter finde: Meinungsbildung im Stadtteil organisieren. Qualifizierte Debatten hochziehen: Über Musical, Strangulation des Lagerhauses Schildstraße, Bahnhofsvorplatz, Polizeigebäude. Oder das Faulenquartier. Das war oft richtig hochkarätig besetzt und spannend.

Also eine klassische außerparlamentarische Funktion.

Ja und Nein: Die Mehrheiten im Beirat richten sich ja nach der Bürgerschaftswahl. Das bestimmt auch die Themen.

Fragen: Klaus Wolschner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen