Nachgefragt: Ist weniger mehr?
■ Interview mit Andreas Schmidt über die Verkleinerung des Bundestages, bei der Bremen nicht mitmachen will
„Bremen ist nicht der Nabel der Welt“, sagt Andreas Schmidt, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU Bundestagsfraktion. Schmidt sitzt in der Reformkommission, die sich Gedanken darüber macht, wie der Bundestag von derzeit 672 auf 598 Abgeordnete verkleinert werden kann. Der Bundeswahlleiter hat vorgeschlagen, die Wahlkreise neu zuzuschneiden. Bremen soll seiner Meinung nach ab dem Jahr 2002 auf einen Wahlkreis verzichten. Statt drei Politiker könnten nur noch zwei von den Wählern direkt in den Bundestag geschickt werden. Insgesamt würden fünf statt sechs Abgeordnete aus Bremen in Bonn mitmischen. Die Kommission hat den Vorschlag an den Innenausschuß gegeben, der jetzt darüber entscheiden wird.
Herr Schmidt, die Bremer wollen keinen Wahlkreis hergeben...
Ich halte den Vorschlag für richtig. Bremen ist nicht der Nabel der Welt. Alle Bundesländer müssen Wahlkreise hergeben.
Aber Bremen ist ein kleiner Stadtstaat.
Bremen ist natürlich ein Stadtstaat, aber Bremen ist bezüglich der Verkleinerung des Bundestages kein exteritoriales Gebiet in Deutschland. Ich verstehe die Argumentation natürlich aus Bremer Sicht. Aber wir können das nicht aus Bremer Sicht beurteilen, sondern nur aus Sicht des Bundes. Und aus Sicht des Bundes kann Bremen nicht anders behandelt werden als andere Großstädte. Das Kriterium ist schließlich die Bevölkerungs zahl und nicht, ob es sich bei einem Bundesland um einen Stadtstaat handelt.
Auf wieviele Bürger soll denn künftig ein Volksvertreter kommen?
Es ist geplant, 299 Wahlkreise zu schaffen. 299 Abgeordnete sollen also direkt gewählt werden, und 299 werden über ihre Listenplätze in den Bundestag geschickt. In einem Wahlkreis sollen durchschnittlich rund 250.000 Menschen leben.
Dann wäre das Land Bremen mit rund 680.000 Einwohnern und fünf Abgeordneten gut repräsentiert. Allerdings würden nur zwei Abgeordnete direkt von den Bremern ins Parlament geschickt werden.
Bremen ist trotzdem noch gut vertreten. Es gibt Bundesländer, die noch mehr Wahlkreise hergeben müssen. Schleswig-Holstein soll einen Wahlkreis verlieren, für Nordrhein-Westfalen ist geplant, sieben Wahlkreise abzuschaffen, Niedersachsen verliert zwei Wahlkreise.
Der Landeswahlleiter moniert u.a., daß Bremen mit seinen fünf Abgeordneten nicht in jedem Ausschuß sitzen würde.
Welche große Stadt ist schon in jedem Ausschuß vertreten?
Wieviel Geld soll durch die Verkleinerung des Bundestages eingespart werden?
Geld kann kein Argument sein. Demokratie kostet halt Geld.
Aber Sie haben doch eine Vorstellung davon, wieviel Geld Sie sparen wollen.
Ein Abgeordneter kostet pro Jahr rund 360.000 Mark an Diäten, Unkostenpauschale und Aufwendungen für seine Mitarbeiter. Durch die Reform würden zwischen 60 und 70 Abgeordnete eingespart werden.
Nun wird der Vorschlag des Bundeswahlleiters ja erstmal im Innenausschuß diskutiert. Glauben Sie, daß der Senat dort Gehör findet?
Ich glaube, es ist nicht zu vermeiden, daß Bremen auf einen Wahlkreis verzichten muß.
Wie wirkt das eigentlich in Bonn, wenn die Bremer jetzt das Klagelied um ihre Direktmandate anstimmen?
Das ist der Sankt-Florian-Effekt: Alle sagen, der Bundestag muß dringend verkleinert werden, aber bitte nicht bei mir. Das ist allerdings eine Position, die niemand durchhalten kann, der verantwortlich entscheiden will.
Fragen: Kerstin Schneider
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