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NachgefragtMachtkampf im Laden

■ Vereinsvorsitzender Reiner Paul über die Krise im Gesundheitsladen e.V.

Die 200 Selbsthilfegruppen, die zehn Jahre lang im Gesundheitsladen e.V. ihr Beratungszentrum hatten, wollen nicht mehr mit dem Laden zusammenarbeiten (vgl. zuletzt 27.8.). Wir sprachen mit dem Vorsitzenden des Vereins Gesundheitsladen, Rainer Paul:

taz: Innerhalb von sechs Wochen wurden drei der vier Mitarbeiter Ihres Vereins abgemahnt, einer wurde fristlos gekündigt. Machen Sie den Verein kaputt?

Rainer Paul: Nein. Wir versuchen nur, Sachen, die nicht gehen, abzustellen.

Was geht nicht?

Die Kündigung gegen Clemens Müller erfolgte wegen Verdachts auf Veruntreuung von Geldern in Zusammenarbeit mit einem Freund in Hamburg. Wegen des laufenden Verfahrens nenne ich keine Details .

Und die Abmahnungen?

Seit dem 10.3.97 sind wir als Vorstand im Amt, Sabine Rengstorf und ich, und wir versuchten, die finanziellen Gebaren des Vereins zu durchleuchten. Uns wurden bei dieser ehrenamtlichen Arbeit ständig Steine in den Weg gelegt. Bei den Selbsthilfemitarbeitern müssen wir wohl infolge der einen Kündigung dem Verdacht auf Urkundenfälschung nachgehen. Wir haben dazu die Polizei eingeschaltet.

Ihnen wird vorgeworfen, Sie wollten Ihrer Frau den Job retten.

Wie soll ich denn meiner Frau den Job retten? Ich verfüge doch nicht über die Gelder, sondern der Senator für Gesundheit.

Was wird aus der Patientenberatung nach dem 30. 9.?

Das möchte ich auch gerne wissen. Die Politik sagt, es ist noch nichts entschieden. Wir haben den Eindruck, daß die Verwaltung hier vorschnell handelt, wenn sie bescheidet, daß das Geld an eine neue Patienten-Stelle umgeleitet wird. Es gibt eine hohe Akzeptanz unserer Beratungsstelle, der Senator hat deren Qualität bestätigt.

Was sagen Sie dazu, daß der Beirat des Bremer Topfes nicht mehr mit Ihrem Verein zusammenarbeiten will?

Bisher hat der Vorstand des Gesundheitsladens nie direkt mit dem Beirat kommuniziert.

Ist es nicht fürchterlich, daß ein Verein, der jahrelang als Vorzeigemodell für Selbsthilfe galt, durch Kommunikationsdefizite, wie Sie sagen, in ein paar Monaten wegbricht?

Das ist eine viel längere Geschichte. Schon Ende 1995 kam es zu einem Bruch im früheren Gesundheitsladen. Der damalige Vorstand wußte sich wohl nicht mehr anders zu helfen als die Beziehung zu Clemens Müller zu kappen und unterzutauchen. Im neuen Gesundheitsladen, wo dieser Mitarbeiter dann praktisch wieder Geschäftsführer sein wollte, wurden wir im März 1997 zum Vorstand gewählt, und es kam wieder zu den gleichen Problemen. Er wollte auch mit uns nicht wie ein Arbeitnehmer zusammenarbeiten. Er will als Mitarbeiter die Kompetenzen des gewählten Vorstands haben und duldet diesen nur als Scheinfigur.

Läßt sich der Gesundheitsladen noch retten?

Wenn die Gelder, also die 250.000 Mark aus der Sozialbehörde, umgeleitet werden, läßt er sich nur noch als „Restverein“retten. Fragen: ritz

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