piwik no script img

Nachdenklich wie die Wikinger

■ Ulme und Porf spielen zwischentonfreudigen, innovativen Metal, der auf die Reise ins Feedback und in Dynamikspiele mitnimmt

Die Reformation der Postleitzahlen hat einige Kurzweil genommen. So entfällt die kleine Freude des Großstädters, beim Sprechen über Orte wie Troisdorf jeweils den vierstelligen Code davorzusetzen, der die Kleinheit hübsch verdeutlicht. Dort jedenfalls, unweit von Köln, hat Guido Lucas sein kleines Gitarrenreich erbaut, wo sich immer mehr Bands zusammenfanden, die den Glauben nicht aufgegeben haben, daß dem Moloch Rock noch ein bißchen Leben abzugewinnen ist. Das vollzieht sich meist schwergewichtig, aber auch zwischentonfreudig und ist mit bluNoise angemessen benannt.

Zu den ersten Gruppen der Firma gehört ein besonderes Trio aus Flensburg. Denn Jan-Eric, Gunnar und Arne betreiben das Prinzip der Band-Familie auf Kelly-Niveau, sie tragen alle den Nachnamen Heesch. Die drei wühlen mit stumpfem Werkzeug im Boden, wobei sie sich für das neue Werk Ordinary Diva mit noch mehr Dreck bewerfen als zuvor. Der Bandname bezieht sich auf eine Figur aus der Zeichentrickserie Wickie, was den nordmännischen Charakter der Familie Heesch umschreibt, ohne sich dabei allzu ernst zu nehmen. Da liegt eine Stärke, die sie von den meisten anderen Produzenten metallischer Musik unterscheidet: Ulme haben es nicht nötig, ihre Härte außerhalb von Bühne und Proberaum zu demonstrieren. So ist das Gesicht der Band schmerzverzerrt, aber nicht betont unglücklich.

Unhappy ist dagegen der Name des bluNoise-Debüts von Porf, einem Quartett aus Münster, das noch nach seiner Ausdrucksform sucht. Anstrengender und angestrengter als Ulme gehen Porf auf eine Reise ins Feedback, die gerne ausufert und sich in Dynamik-Spielereien verzettelt.

Gemein ist den Bands ihr Unwille zur Erlösung, beide neigen zu verwaschenen Disharmonien, ohne dem tonalen Zwang des Happy- Ends zu gehorchen. Das darf, wer will, in die Realität deutscher Orte übertragen. Aber es ist auch nur Musik. Holger in't Veld Mi, 10. September, 21 Uhr, MarX

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen