Nachdenken über Corona : Tagebuch in Zeiten der Pandemie
Barbara Junge im Gespräch mit der Autorin Carolin Emcke über ihr neues Buch „Journal“, Schreiben und Leben in Ausnahme-Zeiten.
„Wir sprechen die ganze Zeit übers Sterben, registrieren Todeszahlen, und es gibt trotzdem ausgesprochen wenig künstlerische Annäherung an die Erfahrung von Menschen, die jemanden verlieren und nicht hinkönnen.“ – so skizzierte Caroline Emcke den Zustand, unter dem Trauer in Zeiten der Pandemie stattfinden muss.
Sie sprach diesen Satz bei einer (digitalen) Lesung ihres „Journals“, einem Tagebuch über das erste Jahr der Corona-Pandemie. Am 22. März 2020 beschlossen Bund und Länder „Kontaktbeschränkungen“ zur Eindämmung der Pandemie in Deutschland. Eine neue Wirklichkeit, die Wirklichkeit der Bedrohung durch einen mitunter todbringenden Virus, griff unvermittelt ein in unsere politische, psychische und soziale Verfassung.
Am 23. März 2020 begann Carolin Emcke ihre Notizen zu dieser neuen Realität. Sie notierte ihre nächtlichen Albträume und die unmöglichen Abschiede von geliebten Menschen. Sie analysierte die nationalistischen Reflexe Europas und die autoritäre Verführung des Virus.
Carolin Emckes weltumspannende Betrachtungsweise
Sie versuchte der historischen Zäsur, die dieser Virus darstellt, nachzuspüren und widersetzte sich dabei auch der Neigung, nur das eigene Umfeld zu betrachten. Deutschland ist für die Autorin lediglich ein Schauplatz von vielen in einer Pandemie, die die Ärmsten, so skizziert Emcke schonungslos, einmal mehr am schlimmsten trifft.Dabei zeigt sich in ihrem „Journal“ auch die globale Vernetzung und Sichtweise der ehemaligen Kriegsreporterin. Ihr „ethisches Weltbürgertum“, wie es der Deutschlandfunk bezeichnete.
taz-Chefredakteurin Barbara Junge spricht mit Carolin Emcke über ihr „Journal“ und einen Ausnahmezustand, von dem niemand weiß, wann er zu Ende sein und wie er uns verändert haben wird.
Journal. Tagebuch in Zeiten der Pandemie – ein taz Talk im Rahmen von „Leipzig liest extra“ mit:
Carolin Emcke, geboren 1967, studierte Philosophie in London, Frankfurt/Main und Harvard. Sie promovierte über den Begriff „kollektiver Identitäten“. Von 1998 bis 2013 bereiste Carolin Emcke weltweit Krisenregionen und berichtete darüber. 2003/2004 war sie Visiting Lecturer für Politische Theorie an der Yale University.
Sie ist freie Publizistin und engagiert sich immer wieder mit künstlerischen Projekten und Interventionen. Seit über zehn Jahren organisiert und moderiert Carolin Emcke die monatliche Diskussionsreihe „Streitraum“ an der Schaubühne Berlin.
Für ihr Schaffen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus und Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Ihr Buch „Journal. Tagebuch in Zeiten der Pandemie“ ist im S. Fischer Verlag erschienen.
Barbara Junge, taz-Chefredakteurin, ehemals US-Korrespondentin und Büroleiterin des Tagesspiegel in Washington. Schwerpunkte Rechtspopulismus, USA, transatlantische Politik, Datenschutz und digitale Transformation der taz. Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs.
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taz Talk meets Leipzig liest extra: Im Gespräch mit Carolin Emcke über ihr Journal
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