ECHTER JÄGER : Nachbarschaftshilfe
Heute Nacht hatte ich einen ziemlichen Albtraum. Einen von der Sorte, bei der man morgens noch durcheinander ist, weil es sich so echt anfühlt. Ich werd gleich mal aufstehen und nachschauen, ob die Katze noch lebt. An ihrem Platz liegt sie nicht. Das Fenster in der Küche steht offen. Die Wohnung ist mucksmäuschenstill. Im Backofen? Nein, das ist sie nicht. Lasagne von gestern.
Jetzt bloß nicht durchdrehen. Das Ganze war nur ein Traum! Erst mal einen starken Kaffee machen und versuchen, den gestrigen Abend Revue passieren zu lassen. Vor meinem inneren Auge werden ständig Weinflaschen entkorkt, aber eine Katze taucht nicht dabei auf. Stattdessen mittendrin in jeder Szene: unsere neuen Nachbarn.
Ulrike und Steve machen gerade ihre Vorstellungsrunde in den umliegenden Häusern, und wenn sie mit den gut 30 Wohnungen durch sind, haben sie zwar etliche neue Freunde, aber vermutlich auch ein ernsthaftes Alkoholproblem. Dann werden sie wohl direkt wieder ausziehen, um eine Entziehungskur anzufangen. Ich weiß nicht, wie es den beiden heute Morgen geht – ich für meinen Teil erinnere mich nur bruchstückhaft an den Ausgang des Abends. Daran, dass plötzlich gepokert wurde, mit allerhand albernen Einsätzen. Und dass gewettet wurde, um dies und das. Die Katze hat auch eine Rolle gespielt, da bin ich mir auf einmal sicher. Und jetzt würde ich einfach gerne wissen, wo die kleine Malinka steckt. Ich gehe noch mal ins Schlafzimmer. Meine Frau schläft noch tief und fest, als es an der Tür klingelt.
„Es hat tatsächlich geklappt!“, winkt es mir entgegen, und schon stehen die beiden im Flur, mitsamt unserer Katze. „Malinka ist ein echter Profi – letzte Nacht hat sie sich sofort den ersten Nager geschnappt!“ Triumphierend läuft sie durch die Küche und legt sich dann zur Ruhe. Sobald es dunkel ist, wird wieder eiskalt zugeschlagen.
JOCHEN WEEBER