: Nach dir, Philipp
REGIERUNGS-PR Tag der offenen Tür bei der Bundesregierung: Die Schlagersängerin Vicky Leandros hilft FDP-Mann Philipp Rösler, Besucher ins Wirtschaftsministerium zu locken. Ein Ortstermin
BERLIN taz | Hätten Sie es gewusst? Was verbindet Philipp Rösler und Vicky Leandros? Er beherrscht seit 2011 das Wirtschaftsministerium, sie seit ihrem Sieg des Grand Prix d’Eurovision 1972 die Schlagerwelt. Der Tag der offenen Tür der Bundesregierung brachte die beiden am Samstagabend im Wirtschaftsministerium nun zusammen – inklusive Auftritt der Sängerin.
Bei dem bratwurstlastigen, eher inhaltsmageren Sommerfest warben am Wochenende alle Ministerien kurz vor der Wahl mit offenen Büros, Spiel, Spaß und Politik für sich. Zehntausende Bürger waren dabei.
Wer im Wirtschaftsministerium genau zuhörte, fand auch die Antwort auf die Frage: warum Vicky Leandros und Philipp Rösler? Ich bin, wie ich bin, hab ein Herz wie die andern, bin nicht gern allein, doch ich liebe die Freiheit, singt sie in ihrem Hit „Ich bin“, den sie gleich als zweiten Titel zum Besten gab. Da ist sie: die Gemeinsamkeit von Liberalen und Leandros: die Freiheit. Bei der Partei steht sie schon im Namen. Und an ungefähr jeder Stelle des Wahlprogramms. Bei dem Bekenntnis zur freiheitlichen Politik sind die Liberalen konsequent, seien es niedrige Steuern oder privater Waffenbesitz. „Schießsport ist Freiheit“, wirbt ein Hamburger Kandidat aktuell medienwirksam für sich.
Philipp Rösler sitzt bei Leandros’ Konzert gleich in der ersten Reihe am Biertisch. Er klatscht brav mit, schaut sich aber immer wieder um, ob er auch an der richtigen Stelle mitmacht, zückt sein Smartphone, um fleißig Fotos zu machen. Und was muss er von der Bühne hören? Vielleicht einen Anstoß, das klare Bekenntnis zu Schwarz-Gelb und die Absage an eine Ampel nach der Wahl zu überdenken. Denn ob Mietpreisbremse, gleichgeschlechtliche Ehe oder Mütterrente: In vielen Themen sind CDU und FDP kurz vor der Wahl noch uneins. Vielleicht gefällt’s mir wieder, frei zu sein, vielleicht verlieb ich mich aufs neu, man wird ja sehn. Gern verweist die FDP auf Deutschlands stabile Wirtschaftslage und dass diese vor allem der Politik der vergangenen Jahre zu verdanken ist. „Deutschland geht es so gut wie noch nie: die niedrigste Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten, solide Haushalte“, warb Rösler kürzlich. Oder in Leandros’ Worten: Die Welt ist schön, wie’s kommt, ist einerlei, lalala…
Vielleicht die Kernbotschaft des schwarz-gelben Wahlkampfes. Momentan liegen die Liberalen in den Umfragen um die 5 Prozent. Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich indessen eine Große Koalition. Mag sein, dass man sich selber oft viel zu wichtig nimmt, verzweifelt auf ein Feuer hofft, wo es nur noch glimmt, wenn so was auch sehr wehtun kann, man stirbt nicht gleich daran. Ihr Konzert begann Leandros übrigens mit ihrer Liebesballade, in der sie das Ende einer Ära besingt: „Après toi“. ANNA KUSSEROW