Nach der Revolution in Libyen: Bengasi will Autonomie
Im Süden des Landes droht die Abspaltung, bei Kämpfen gab es Dutzende Verletzte. Der Osten um Bengasi will indes mehr Eigenständigkeit.
BERLIN taz | Libyens Regierung wird von ehemaligen Verbündeten unter Druck gesetzt. Forderungen nach Abspaltung werden im Süden des Landes erhoben, nachdem es in der Stadt Sebha zu Kämpfen kam, bei denen Dutzende Menschen starben und weitere verwundet wurden.
Offenbar brachen die Gefechte zwischen Angehörigen eines Stammes der Volksgruppe der Toubou und zweier arabischer Stämme nach einem Autodiebstahl aus. Einer anderen Version zufolge weigerten sich Toubou, einen wegen Mordes gesuchten Mann auszuliefern.
Toubou-Führer Issa Abdel Majid Mansur sagte der Nachrichtenagentur AFP, es handele sich bei den Kämpfen um einen Plan zur „ethnischen Säuberung“ seines Volkes. Gleichzeitig drohte er mit der Abspaltung der Region von Libyen nach dem Beispiel des Südsudan. Außerdem sei die „Toubou-Front zur Rettung Libyens“ (TFSL) reaktiviert worden.
Die TFSL war bereits in der Gaddafi-Ära aktiv, da sich Toubou von der Regierung in Tripolis benachteiligt fühlten. Sie beteiligte sich vergangenes Jahr am Kampf gegen Gaddafi und löste sich nach dessen Sturz auf. Im Februar kam es zu Auseinandersetzungen in der ebenfalls im Süden gelegenen Stadt Kufra, in die auch Toubou involviert waren. Die Mehrheit der Volksgruppe lebt im Norden des Tschad, aber Toubou-Bevölkerungen gibt es außer in Libyen auch in Niger und Sudan.
Auch im Osten Libyens gärt es. Führer der Region Cyrenaika um die zweitgrößte libysche Stadt Bengasi, wo im Februar 2011 der Aufstand gegen Gaddafi begann, kündigten zu Beginn dieses Monats die Bildung eines halbautonomen Staates an, mit Parlament und eigener Polizei und Justiz. Dies führte zu einem Aufschrei der Empörung in Tripolis, wo viele den Zerfall des Staates befürchten, auch wenn Vertreter aus Bengasi das abstreiten.
Am Dienstag besuchte der libysche Regierungschef Mustafa Abdul Dschalil Bengasi, um Gespräche über den Konflikt zu führen. Dschalil traf sich auch mit einem Vertreter des „Volkskongresses der Cyrenaika“, der sich für eine Autonomie starkmacht. Bubaker Buera, einer der Gründer der Organisation, sagte gegenüber Reuters, die Gespräche seien der Beginn eines Dialogs gewesen, es sei jedoch nichts entschieden worden.
Auf die Frage, wie seine Organisation sich verhalten werde, falls ihre Forderungen nicht akzeptiert werden, drohte Buera damit, den Ölhahn zuzudrehen. Der Osten Libyens verfügt über 80 Prozent der Erdölvorräte des Landes.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Wahlkampf in Deutschland
Rotzlöffeldichte auf Rekordniveau
Regierungsbildung nach Österreich-Wahl
ÖVP, SPÖ und Neos wollen es jetzt miteinander versuchen
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA entwerfen UN-Resolution zum Krieg in der Ukraine ohne jede Kritik an Russland